Heft 
(1955) 7
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gusses bewahrt. Dem Meister aber klang der Spruch vom Glockenband in die Ohren, als laute er:

Aus Feuer bin ich geflossen,

Ein Mörder hat mich gegossen!

Die Boberower kamen. Sie waren begeistert beim Anblick ihrer großen neuen Glocke, und sie lauschten voll Freude auf ihren so mächtigen und '

aabei doch wohlklingenden Ruf. Sie lobten den Meister über die Maßen und baten ihn, doch mitzukommen zür festlichen Einweihung, damit er selbst als erster den Glockenstrang ziehe und das Geläut seines Meister­werks selbst erklingen lasse. Der Meister sagte zu, und auf festlich mit Maien geschmücktem Wagen hielten sie am Tage darauf spätabends ihren Einzug in das Dorf Boberow, freudig begrüßt von der zusammeneilenden Gemeinde.

Es war ein wundervoller, maienseliger Pfingsttag, als aus allen Orten ringsum und von fernher die Menschen zur Glockenweihe nach Boberow zogen. Die Sonne strahlte vom Himmel, daß es den Leuten bald zu viel der Wärme deuchte und daß ihnen der Tag schwül schien, wie an einem Hochsommertag. Die Glocke war oben im Dachstuhl im schweren Eichen­gebälk angebracht. Die große Festgemeinde sammelte sich im Gotteshause zur feierlichen Weihe der Glocke. Nach der Predigt und dem Segen des Geistlichen und nach dem Schlußgesang der Gemeinde trat die Fest­gemeinde hinaus zum Vorplatz, und der Glockengießermeister faßte den Strang, um den von allen erwarteten Ruf der gewaltigen Glocke von Boberow nun erstmalig über die Häuser des Dorfes, über den See und die Felder und Wälder dahinklingen zu lassen. Doch was war das? Statt des erwarteten vollen Tones kam ein gar klägliches, herzzerreißendes Wimmern von oben, wie von einem Menschen in höchster Angst und Not. Und dunkel, nachtdunkel wurde es plötzlich ringsum. Ein Gewitter hatte sich in der Hitze des Tages und von den Menschen fast unbemerkt über der Senke des Sees zusammengebraut und jagte nun in unvermittelt und unheimlich losbrechender schwerer Sturmbö die tiefhängenden schwarzen Wolken über den Turm und die Festversammlung dahin. Ein Blitz schlug mit grellem Geleucht und knatternd in den Turm hinein. Er erschlug auch den Meister, der noch voll Entsetzen über den Wimmerklang der Stimme da oben den Glockenstrang in der Hand hielt. Flammen, vom Sturm gepeitscht, loderten bald aus dem Eichengebälk des Turms. Die Menschen waren in ihrem Schrecken und unter der Wucht des Wetters unter ein bergendes Dach geflohen, nur ein kleines Häuflein blieb gebannt auf dem Platz und sah fassungslos und ohnmächitg der zerstörenden Kraft der Elemente zu. Wie eine gewaltige, brennende Fackel ragte der Turm bald in die Luft. Als er in sich zusammenstürzte, war auch die große Glocke zerschmolzen. Der

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