Heft 
(1957) 4
Seite
118
Einzelbild herunterladen

HANS KOCH,PERLEBERG

Sin ganzes "Dorf zog um!

Es ist in der Geschichte unserer Prignitz nicht selten vorgekommen, daß Dörfer, deren Gebäude ein Raub der Flammen waren, an einer anderen Stelle der Feldmark wieder aufgebaut wurden.

Feuersbrünste waren in früheren Zeiten ja viel mehr an der Tagesordnung als heute. Das offene Herdfeuer, die Stallaterne und der offene Kamm waren eben größere Gefahrenquellen als unsere heutigen Herde und Öfen und unser elektrisches Licht. Auch konnte sich das Feuer in den Stroh­dächern leichter ausbreiten als bei einem Ziegeldach. Und die Löschgeräte waren oft nur der Ledereimer, der durch derHände lange Kette ging und später kleine Handdruckspritzen. So ist es nicht verwunderlich, daß der Menschhoffnungslos der Gottesstärke wich und das ganze Dorf ab­brannte.

Die Verlegung des Dorfes hängt sicher nicht mit der Sorge um die Ent­trümmerung zusammen, denn das Lehmfachwerk und das Strohdach hin­terließen nicht viel Trümmer, sondern in der Prignitz in vielen Fällen sicher damit, daß man einen Platz suchte, der weniger vom Hochwasser der Elbe und ihrer Nebenflüsse bedroht war. In anderen Fällen mag auch das häufige Einschlagen von Blitzen zur Verlegung des Ortes geführt haben oder ungünstige Brunnenverhältnisse.

Wohl der letzte Ort der Prignitz, der auf diese Weise umzog, ist das Dorf Groß-Breese, das 5 km von Wittenberge am Rande des Karthane-Über- schwemmungsgebietes liegt.

Die Geschichte dieses Umzuges will ich erzählen.

Es war im Jahre 1840. Seitlich der alten Poststraße von Havelberg nach Lenzen lag das Dorf Groß-Breese. Ein Rundling, wie die Dörfer Kuhblank und Klein-Lüben es heute noch sind. Um den kleinen Dorfplatz lagen dicht gedrängt 21 Bauernhöfe, 4 Kossätenhöfe, der Gutshof und der Pfarrhof. An der Schmalseite des Grundstückes stand mit dem Giebel zur Straße das Wohnhaus, quer über das Grundstück die Scheune. Sie reichte von einer Grenze bis zur anderen. Der Großvater des jetzigen Altsitzers Alwin Breesch konnte sich noch an die Jugendspiele in diesen Scheunen erinnern. Die Gibel standen so dicht zusammen, daß die Dächer sich fast berührten. Die Giebelwände bestanden deshalb auch nur aus Weidengeflecht, und die Dorfjungen fanden noch überall ein Loch, um von einer Scheune in die andere zu schlüpfen. Bei Regenwetter wurde man nicht einmal naß dabei. Mitten auf dem Dorfanger stand auf dem Friedhof die kleine Fachwerk­kirche.

*

118