Heft 
(1955) 9
Seite
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uns an die Zeit, da die Täuflinge noch ganz in das Wasser getaucht wurden. Jetzt betreten wir den Hochaltarraum, der im Laufe der Jahrhunderte auch so manche Veränderung hat über sich ergehen lassen müssen. Aber auch heute noch zwingt uns die Kühnheit und Leichtigkeit seiner Archi­tektur zu aufrichtiger Bewunderung. Neun schmale hohe Fenster geben eine Fülle von Licht, fünf von ihnen gedämpft durch die Glasmalereien Geschenke von Städten, Gilden und reichen Geschlechtern. Die Kunst der Glasmalerei stand früher in hoher Blüte. Die Geheimnisse der Farben­zusammensetzung vererbten sich meist nur in derselben Familie und sind in späterer Zeit verloren gegangen. Wie wundervoll ist auch jetzt noch das flammende Rot und das leuchtende Blau der Darstellungen aus dem Leben Christi, Marias und einiger Heiligengestalten, besonders, wenn die Sonne durch die Scheiben scheint. Unter den Fenstern umlief früher eine hölzerne, von Konsolen getragene Galerie den Hohen Chor. Ihre Brüstung zeigte Bilder von der Auffindung desWunderblutes. An der Stirnseite des Chorraumes zeigen Rundbögen zu ebener Erde, daß hier in früher Zeit ein Kapellenkranz mit verglasten Fenstern den Raum umgab. Da sich dann diese Bauweise als zu schwach erwies, wurden die Durchbrüche zuge­mauert und mit Strebepfeilern außen verstärkt.

Der Mittelpunkt des Hohen Chores ist natürlich der Hochaltar. Auf einem steinernen Unterbau erheben sich drei aufeinandergestellte Altarschreine. Der unterste ist durch fünf kleine gotische Portale gleichsam in fünf Räume geteilt, in denen Figuren aufgestellt sind. Die beiden Köpfe der heiligen Katharina und Barbara wurden früher als Reliquienbehälter benutzt. In der Mitte der drei Flügelaltäre steht jedesmal die Gestalt der Maria, im mittleren Flügelschrank umgeben von den 12 Aposteln und im obersten von je zwei Reihen Heiliger. Alle Figuren der beiden oberen Altäre sind aus Holz geschnitzt vor einem reich vergoldeten Hintergrund. Ganz besonders schön aber sind die Verzierungen des Hochaltars, die Kassettenleiste, die Baldachine über den Figuren, das gotische Maßwerk in immer wieder neuen Variationen. Mit wie viel Liebe, Phantasie und handwerklichem Können haben doch unsere Vorfahren ihre Werke geschaffen!

In einer Seitennische des Chorraumes hat ein Christuskopf aus Sandstein Aufstellung gefunden, der bei Erneuerungsarbeiten im vorigen Jahr­hundert unter dem Hochaltar gefunden wurde. Mit seltener Gestaltungs­kraft hat hier der unbekannte Künstler dem Schmerz des Antlitzes ergrei­fenden Ausdruck verliehen.

Bei unserem Rundgang sind wir nun an dem Eingang zur Sakristei ange­langt. Über diesem Eingang ist eine Empore, die sogenanntePrälaten­loge, auf der früher die hohen Geistlichen ihren Platz hatten. Sie konnten sogar von dieser Empore aus durch einen geschlossenen Gang über zwei Rundbögen außerhalb der KirchS bis in das Prälatenschloß (heute Ober-

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