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Sonderheft 2, Zur Entstehungs und Wirkungsgeschichte Fontanescher Romane
Seite
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« Der Stechlin »

Entstehung

Der Rohentwurf zum «Stechlin» entstand in wenigen Wochen. Als der Dichter das neue Buch zum ersten Mal erwähnt - am 21. Dezember 1895 in einem Brief an Schlenther sind die Hauptpartien bereits fixiert: «Ich bin bei zwei letzten Kapiteln eines kleinen politischen (!) Romans, den ich noch vor Weihnachten beenden möchte, also in großer Aufregung und knausriger Zeitausnutzung. » Das Projekt muß ihn von Anfang an außerordentlich faszi­niert haben. Er ließ in dieser Zeit sogar einen Brief ungeschrieben, den er am 2. November 1895 seinem Sohn Theo über den Selbstmord von Hans Hertz angekündigt hatte, ein Thema, das sich der passionierte und sonst überaus pünktliche Briefschreiber nicht ohne Not hätte entgehen lassen (der bisher unterdrückte Passus ist erstmals gedruckt in: Fontanes Briefe in zwei Bänden, ausgewählt und eingeleitet von Gotthard Erler, Berlin und Wei­mar 1968, Band 2, Seite 385). Am 25. Dezember kommt er auf sein Ver­sprechen zurück: «Der Grund, warum ich Dir den zugesagten längeren Brief nicht stiftete, war einfach der, daß ich seit vier oder fünf Wochen wie toll gearbeitet und in dieser verhältnismäßig kurzen Zeit einen ganzen Roman niedergeschrieben habe. Ist man mal im Zuge, so darf man sich nicht unterbrechen, man kommt in die entsprechende Stimmung fast nie wieder hinein und hat für die Arbeit, die einen gerade beschäftigt, einen schweren Schaden davon.»

Dieses offenbar in sich geschlossene, aber nur skizzenhafte Brouillon vom November/Dezember 1895 erweiterte Fontane in den folgenden Monaten zu einem «ersten Entwurf», den er - laut Tagebuch - im Herbst 1896 ab­schloß. Die einzelnen Phasen sind nicht mehr zu rekonstruieren. Allerdings belegen mehrere Briefe (darunter die an Carl Robert Lessing vom 8. und 19. Juni 1896) intensive Arbeit an dem Werk. Am 12. Juli schrieb der Dich­ter beispielsweise an Frau Sternheim: « Eigentlich wollt ich Ihnen noch für Berlin einen kleinen Liebesbrief ... stiften, ich kam aber nicht dazu, weil mich meine gegenwärtige Schreiberei, in der sogar eine Gräfin Melusine vor­kommt, ganz in Anspruch nahm.» Bis in den August hinein beschäftigten ihn die «schwierigen Korrekturen» (an Friedlaender, 6. August 1896). Noch am 9. September 1896 klagt er in einem Brief an seinen Sohn Friedrich, daß