Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte Fontanescher Romane
Zur Ausgabe der Romane und Erzählungen in acht Bänden
« Unendliche Liebe, unendliche Sympathie und Dankbarkeit, ein Gefühl tiefer Verwandtschaft (vielleicht beruhend auf ähnlicher Rassenmischung), ein unmittelbares und instinktmäßiges Entzücken, eine unmittelbare Erheiterung, Erwärmung, Befriedigung bei jedem Vers, jeder Briefzeile, jedem Dialogfetz- chen von ihm - das ist... mein Verhältnis zu Theodor Fontane. Wo in deutscher Prosa gibt es zum zweitenmal eine solche Gehobenheit bei soviel scheinbarer Anspruchslosigkeit? Er war ein Sänger, auch wenn er zu klönen schien. Und er ist unser Vater - die wir, einer überholten, doch zählebigen Ranglehre zum Trotz, dem deutschen Roman als Kunstform die ästhetische Ebenbürtigkeit neben Drama und Lyrik zu erwirken gesonnen sind.»
Mit diesen Worten bekannte sich der fünfunddreißigjährige Thomas Mann zu einem deutschen Schriftsteller, der bei den meisten seiner Zeitgenossen hauptsächlich als Verkünder preußischen Feldherrenruhms und als Schilderer märkischer Landschaft und märkischen Junkertums gegolten hatte und der vielfach auch so im Bewußtsein der Nachwelt fortlebte. Als der Autor der « Buddenbrooks» in demselben Jahre (1910) seinen berühmt gewordenen Essay über den « alten Fontane » in Maximilian Hardens « Zukunft» veröffentlichte, kam dies der postumen Entdeckung eines der größten deutschen Erzähler und Romanciers gleich. Was Thomas Mann an Fontanes reifem Alterswerk damals wie später fasziniert hat, war vor allem der sublimierte Stil dieser « bei aller behaglichen Breite so leichten, so lichten Prosa ... mit ihrer heimlichen Neigung zum Balladesken, ihren zugleich mundgerechten und versmäßigen Abbreviaturen ». Dem Künstler Fontane galt Thomas Manns Bewunderung, einem Künstler, der « Künstlerskepsis gegen Kunst und Künstlertum » verband mit «jener künstlerischen Frömmigkeit, jenem Kunstfleiß», den er « beinahe mit dem Genie identifizierte ». Das Künstlertum « dieses ungebundenen und auf nichts eingeschworenen Geistes» aber zeitigte zugleich eine «skeptische Psychologie », die Thomas Mann als « das schärfste Minierwerkzeug demokratischer Aufklärung» begriff.
Ein Menschenalter später als sein Bruder hat Heinrich Mann aus einem ähnlichen Gefühl künstlerischer und geistiger Verwandtschaft sein Bekenntnis zu dem Dichter der « Effi Briest» und des « Stechlin » formuliert. In einem Ge-
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