« Stine »
Erste Drucke
Mehr als sechseinhalb Jahre waren vergangen, seit Fontane 1881 die ersten Entwürfe zu «Stine» auf dem Papier festgehalten hatte. In diesen Jahren waren mehrere Prosawerke erschienen, zuerst in Zeitschriften und dann in Buchform, auf die er große Hoffnungen gesetzt hatte: «L’Adultera», « Schach von Wuthenow », « Graf Petöfy », « Unterm Birnbaum », « Cecile » und «Irrungen, Wirrungen». Ein durchschlagender Erfolg - die Anerkennung des Prosadichters - war ausgeblieben. Bei seinem neuen Werk mußte Fontane - eingedenk seiner Erfahrungen mit dem Vorabdruck von «Irrungen, Wirrungen », der kaum ein halbes Jahr zurücklag - von vornherein mit Zurückhaltung oder Ablehnung rechnen. Tatsächlich gelang es ihm erst 1890, das Buch zu veröffentlichen, und zwar mit Hilfe seines Sohnes Friedrich, der die Einzelausgabe in Verlag nahm, und Fritz Mauthners, der den Vorabdruck in seiner Zeitschrift « Deutschland » publizierte.
Obwohl Fontane bereits mit Kürschner eine Verabredung über «Stine».getroffen hatte, bot er das Manuskript zunächst einmal Emil Dominik zum Vorabdruck für die Zeitschrift «Zur guten Stunde» an, da dieser offenbar Interesse für das Manuskript zeigte. Fontane schreibt ihm am 3. Januar 1888: «Ich wollte Ihnen ,Stine“ schicken; aber als es so weit war, sah ich, daß die Novelle noch nicht abgeschrieben war. Meine Frau wird sich nun an die Arbeit machen, und in etwa vierzehn Tagen hoffe ich Ihnen das Manuskript zustellen zu können. Es ist mir sehr angenehm, daß Sie die Geschichte vorher durchsehn und sich ,ja‘ oder ,nein“ noch mal überlegen wollen. Geht es einem so schlecht, oder ist man noch so unklar über sich selbst, daß an ,ja“ oder ,nein‘ alles Glück der Erde oder wohl gar Leben und Sterben hängt, so erschrickt man vor solcher Durchsicht. Hat man das Angststadium aber hinter sich, so kann es einem nur lieb sein, wenn diffizile Geschichten vorher dem Publikum gegenüber auf ihre Präsentationsmöglichkeit geprüft werden. ,Stine“ ist das richtige Pendant zu .Irrungen, Wirrungen“, stellenweise weniger gut, stellenweise besser. Es ist nicht ein so breites, weite Kreise umfassendes Stadt- und Lebensbild wie .Irrungen, Wirrungen , aber an den entscheidenden Stellen energischer, wirkungsvoller. Die Hauptperson ist nicht Stine, sondern deren ältere Schwester: Witwe Pittelkow. Ich glaube,
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