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Sonderheft 2, Zur Entstehungs und Wirkungsgeschichte Fontanescher Romane
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sie ist eine mir gelungene und noch nie dagewesene Figur. Also in vierzehn Tagen.» Dominik hatte 1887 in seinem Verlag Fontanes «Cecile» (Buch­ausgabe) verlegt; es erscheint daher auch als möglich, daß Fontanes Ange­bot sich nicht auf einen Vorabdruck, sondern auf eine Einzelausgabe bezog. Wie dem auch sei - Dominik lehnte eine Veröffentlichung als « zu brenzlig » ab. Diese Enttäuschung bewog Fontane wohl, unmittelbar darauf den Kon­takt mit Kürschner über einen Vorabdruck von «Stine» von sich aus zu lösen, um einer möglichen und sehr wahrscheinlichen Absage zu begegnen. Der Brief an Kürschner vom 20. Januar 1888 ist ein Dokument für die aus­weglose Lage eines großen Künstlers in einer kunstfeindlichen, bornierten Umwelt: Fontanes Höflichkeit grenzt an Selbstverleugnung, die - wiewohl ironische - Verbeugung vor dem « Durchschnittsgeschmack» ist peinlich, die Berufung auf seinen Leumund als Schriftsteller ein stilles Eingeständnis der eigenen Isoliertheit, Ohnmacht und Wirkungslosigkeit. Der ganze Brief ist im Grunde ein Zeichen jenes «Aschenbrödeltums», das Fontane in seinem Aufsatz «Die gesellschaftliche Stellung des Schriftstellers» (1891) für die Rolle des Schriftstellers in Preußen-Deutschland konstatiert. Fontane schreibt: «Eine Novelle ,Stine, die für .Vorn Fels zum Meer zu akzeptieren Sie schon vor etwa 5 Jahren die Güte hatten, ist nun endlich fertig, der Stoff erfüllt mich aber im Hinblick auf die Forderungen, die unsre Wochen- und Monatsschriften stellen und stellen müssen, mit so großen Bedenken, daß ich nicht den Mut habe, Ihnen die Novelle ohne weitres zu schicken, viel­mehr Sie bitte, von der Abmachung Abstand nehmen zu wollen. Ich bin ein alter Herr und leidlich beleumundet, werde also nie etwas schreiben, dessen ich mich vor mir selber zu schämen habe, trotzdem weiß ich, daß sich der Durchschnittsgeschmack und die Durchschnittskritik gegen midi auflehnen und daß ich - wenigstens mit Arbeiten wie ,Stine - kein Schriftsteller für den Familientisch mit eben eingesegneten Töchtern bin. Und weil ich dies weiß, spreche ich, bevor ich einem Refus begegne, den ich unter allen Umständen vermeiden möchte, noch einmal die Bitte aus, mich aus dem Quasi-Kontrakt entlassen und mir die freie Verfügung über ,Stine (die mehr in ein Zeitungsfeuilleton paßt) zurück­geben zu wollen. - Hat das Schreckenshaupt, das ich Ihnen hier mit aller Geflissentlichkeit noch einmal entgegenhalte, aber nichts Abschreckendes für Sie, wollen Sie die Bekanntschaft der Novelle machen, so müssen Sie sie nicht bloß sehn, sondern auch coüte que coüte [koste es, was es wolle]

- was sich natürlich nicht auf das Honorar bezieht, denn das ist abgemacht

- drucken wollen. - Wie Sie sich auch entscheiden mögen, jeder Entscheid ist mir gleich recht. Wollen Sies wagen, gut, wollen Sies nicht wagen, auch gut, weil es mich aus einem Unsicherheitszustand befreit, aus dem Gefühle des Gebundenseins mit doch schließlicher Aussicht auf Ablehnung.» Kürschner akzeptierte Fontanes Bedingung - Lesen und Drucken - offen­sichtlich nicht, sondern zog die Ablehnung vor. So unternimmt Fontane,