Heft 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

nicht an die Wand geschrieben . . . Aber was thue ich dieser Citaiion meiner Prinzessin gegenüber?"

Natürlich, ihr gehorchen. Du bist im Dienst, und so lange Du's sür richtig hältst, darin zu verbleiben, so lange hast Du bestimmte Pflichten und mußt sie erfüllen. Und in dem vorliegenden Falle, je eher je lieber. Wenigstens nach meinem Dafürhalten. Das mit dem Urlaub oder mit der Versicherung,es habe keine Eile", das würd' ich nicht glauben und jedenfalls nicht annehmen. Ich bin allem Höfischen aus dem Wege gegangen und habe einen Horror vor alten und jungen Prinzessinnen, aber so viel weiß ich doch auch vom Hosleben und seinen Gesetzen, daß man an Huldigungen nicht leicht genug thun kann und daß die ruhige Hinnahme bewilligter Freiheiten immer etwas Mißliches ist. Und dann, Holk, wenn Du auch noch bleiben wolltest, es wären doch unruhige Tage sür Dich und mich, für uns Alle. Kann ich Dir also rathen, so reise morgen."

Du hast Recht; es ist das Beste so, nicht lange besinnen. Aber Du solltest mich begleiten, Christine. Die Hansen drüben hat das ganze Haus, also Ueberfluß an Raum und ist eine Wirthin, wie sie nicht besser gedacht werden kann. Und was die Bekanntschaften angeht, so findest Du die Schimmelmann und die Schwägerin unserer guten Brockdorff und Helene Moltke. Ich nenne diese Drei, weil ich weiß, daß Du sie magst. Und dann gibt es doch auch Kirchen in Kopenhagen, und Melbye ist Dein Lieblingsmaler, und vor dem alten Grundtvig hast Du zeitlebens Respect gehabt."

Die Gräfin lächelte. Dann sagte sie:Ja, Helmuth, da bist Du nun wieder ganz Du. Noch keine Stunde, daß wir von den Kindern und ihrer Unterbringung gesprochen haben, und schon hast Du Alles wieder vergessen. Einer muß doch hier sein und das, was zu thun ist, in die rechten Wege leiten. Ich möchte wissen, was Dich eigentlich beschäftigt. Alle Körner fallen aus Deinem Gedächtniß heraus, und nur die Spreu bleibt zurück. Verzeih, aber ich kann Dir diese bittren Worte nicht ersparen. Ich glaube, wenn mein Bruder Alfred stirbt oder vielleicht auch wer, der Dir noch näher steht, und Du hast gerad' eine Hühnerjagd angesagt, so vergißt Du zum Begräbniß zu fahren."

Holk biß sich auf die Lippen.Es glückt mir nicht, Dich freundlich zu stimmen und Dich aus Deinem ewigen Brüten und Ernstnehmen herauszureißen. Ich frage mich, ist es meine Schuld, oder ist es Deine?"

Diese Worte blieben doch nicht ohne Wirkung aus Christine. Sie nahm seine Hand und sagte:Schuld ist überall, und vielleicht ist meine die größere. Du bist leichtlebig und schwankend und wandelbar, und ich habe den melancho­lischen Zug und nehme das Leben schwer. Auch da, wo Leichtnehmen das Bessere wäre. Du hast es nicht gut mit mir getroffen, und ich wünschte Dir Wohl eine Frau, die mehr zu lachen verstände. Dann und wann versuch' ich's, berühme mich auch Wohl, daß ich's versucht, aber es glückt nicht recht. Ernst bin ich gewiß und vielleicht auch sentimental. Vergiß, was ich Dir vorhin ge­sagt habe; es war hart und unrecht, und ich habe mich Hinreißen lassen. Ge­wiß, ich klage Dich oft an und will es nicht leugnen, aber ich darf auch sagen, ich verklage mich vor mir selber."