42
Deutsche Rundschau.
I.
Die Coirtroverse.
Seit Newman, unter Umständen, die später Erwähnung finden werden, dazu veranlaßt wurde, sich selbst zu schildern, ist eine Darstellung Dessen, was er gewesen, nur noch an der Hand der „Tpologra pro vita sua" möglich, die ebenso wenig der Vergessenheit anheimsallen wird als die Bekenntnisse des Augustinus. Ihr Inhalt bildet ein Stück der religiösen Geschichte des Jahrhunderts, und ihre Form hat die englische elastische Prosa um ein Meisterstück bereichert, das der Verfasser selbst nicht wieder übertroffen hat. Die Schwierigkeit liegt darin, ein solches Bild in kurzen Umrissen wiedergeben zu müssen und doch den Eindruck nicht ganz verloren gehen zu lassen, den das Original Hervorrust.
Als Sohn eines Bankherrn und seiner aus altfranzöfischem Hugenottenblut stammenden Gattin wurde John Henry Newman am 21. Februar 1801 als der älteste von sechs Geschwistern zu London geboren und von der Mutter zur eifrigen Lesung der heiligen Schrift angehalten, übrigens in gemäßigt calvinischen Anschauungen herangezogen. Er war noch nicht sechzehnjährig, als die Schriften und Kommentare des dieser Schule angehörenden Theologen Thomas Scott ihn zur Zusammenstellung von Schrifttexten zu Gunsten der Lehre von der Trinität anregten. Die rücksichtslose Wahrheitsliebe dieses Mannes, der selbst als Unitarier begonnen hatte, wirkte so mächtig aus den Jüngling, daß er später bezeugte, „fast dürfe er sagen, daß er ihm für seine Seele verpflichtet sei", denn ihm verdanke er die Einsicht, daß Heiligkeit vor Frieden gehe, daß Wachsthum Zeichen und Bedingung alles Lebens sei, zwei leitende Gedanken, die seine ganze spätere Entwicklung beherrscht haben. Dazu studirte er eifrig Theologie und wurde insbesondere durch Milner's Kirchengeschichte zuerst auf die patristische Literatur verwiesen. Die Ueberzeugung, daß Gottes Wille ihn zur Ehelosigkeit bestimmt habe, stammt gleichfalls bereits aus dieser Zeit und währte mit kurzen Unterbrechungen des Zweifels bis zu seinem achtundzwanzigsten Jahre, von welcher Zeit an sie zum bestimmt festgehaltenen Entschluß wurde. Als Student von Trinity College in Oxford mußte Newman in Folge schwerer pecuniärer Verluste des Vaters seine Studien sehr beschleunigen: „Gescheut und ausdauernd fleißig" nennt ihn einer seiner Lehrer, doch zeichnete keine hervorragende Leistung seine Laufbahn auf der Hochschule aus. Die akademischen Lorbeern fielen überreich auf das Haupt des glänzenden jüngern Bruders, Frank Newman, für dessen Wohl er nach dem frühen Tode des Vaters sorgte, zu dem er sprach:
I0'Snk. >V6 öotli arg summonöä nmv -48 edAmplonz ol tNk I,orä:
LniolIeN am I, 8-nä söortlx töou vuolrle on Ms svorä;
-4 öiZIi emxlox, nor NZIitlx givs»,
Ro 86rV6 S.8 E886NA6I' ol II6ÄV6II."
Diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Frank Newman, der ein bedeutender Mann wurde, verhielt sich immer ablehnend, eine Zeit hindurch auch feindselig gegen den Entwicklungsgang des Bruders, dessen Abschluß er vor 1826 kommen sah. „Es ist befremdend," schreibt Frank, „daß zwanzig Jahre darüber hingehen