Issue 
(1891) 66
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Die Berliner Theater.

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Hintergrund in derber Holzschnittmanier, das seine thörichten und nicht immer seinen Possenstreiche durch wohlseilen Patriotismus zu Würzen sucht. Die Handlung spielt in dem Hauptquartier des Prinzen Soubise aus dem Schloß eines Kammerherrn von Voß, unmittelbar vor der Schlacht bei Roßbach. Zwei preußische Osficiere, die sich gegenseitig nicht kennen, haben sich als Kundschafter in das Schloß geschlichen, der Eine in der Verkleidung eines Bauern, der Andere als Marquis von Robillard, der mit Depeschen für Soublse von Versailles erwartet wird. Der Preuße hat den Marquis in Kassel im Duell erstochen und sich seiner Papiere bemächtigt. Er führt seine Rolle auch durch, trotzdem die Schloßherrin ihn als Herrn Karl von Berndorff aus Potsdam erkennt. Da er ihr aber mittheilt, daß die Depeschen, die er zu überbringen hat, dem Prinzen befehlen, dem Könige eine Schlacht zu liefern, verräth sie ihn nicht. Denn sie haßt den König Friedrich ingrimmig, weil er sich über sie lustig gemacht hat, und ist überzeugt, daß ihn die Franzosen und die Reichsarmee vernichten werden. Ein Theil der französischen Osficiere ist dagegen einem Kampfe abgeneigt und will Soubise von einem Treffen zurückhalten. In diesem Widerstreit der Meinungen siegen endlich der verkleidete Marquis von Robillard und die Baronin, die so Wider ihren Willen für den König von Preußen arbeitet. Der Aufbau der Jntrigue, die Ver­wicklungen innerhalb der vier Acte, die bloße Umrißzeichnung der Charaktere beweisen den Dilettantismus des Verfassers. Von einer Vertiefung in den Geist des vergangenen Jahrhunderts oder auch nur in Willibald Alexis^ RomanCabanis" keine Spur; die Sprache ist so platt wie die Erfindung leer.

Heinrich Bulthaupt's Drama,Eine neue Welt", wurde am Sonn­abend den 6. December zum ersten Male ausgesührt, in vier Acten, da man den fünften Act der Dichtung, die 1886 erschienen ist, als überflüssig gestrichen hatte. Obgleich dieser fünfte Act die interessanteste und dem Gedankengehalte nach bedeu­tendste Scene des ganzen Drama's enthält. In ihr stoßen nämlich die Gegensätze der Zeit am stärksten zusammen, die alte und die neue Weltanschauung des Resor- mationszeitalters. Ein junger Deutscher, Ludwig Behaim, der nach einer neuen Welt, einer neuen sittlichen Ordnung, einem reineren Glauben sich sehnt, trifft aus der Flucht aus dem Kerker der Inquisition am Hafen von Sevilla aus Kolumbus, der mit Ketten beladen vor das Gericht der Königin Jsabella geführt wird. Der große Entdecker will die neue Welt nur gesunden haben, um ihr den Glauben der alten auszuzwingen; in der neuen Welt, die Behaim sucht, soll die Freiheit des Gewissens herrschen. Bulthaupt versucht in seinem Schauspiel die Verschmelzung einer- romantischen Liebessabel mit geschichtsphilosophischen Ideen. Aber der Guß ist nicht gelungen, das Ganze gibt einen hohlen Klang. Ludwig Behaim und Don Adone lieben dieselbe schöne Maria. Auf einem Schiffe fahren Beide nach den westindischen Inseln. Das Fahrzeug scheitert; Don Adone kehrt allein nach Sevilla zurück, und Maria willigt ein, seine Gattin zu werden. Am Vorabend der Trauung erscheint indessen Ludwig. Auch er hat sich aus dem Schiffbruch gerettet und klagt Adone als seinen Mörder an, der ihn vom Wrack in das Meer gestoßen habe. Von der Königin begünstigt, vom Volke geliebt, ist er nahe daran, die Braut davonzutragen, als er wegen seiner Verbindung mit Savonarola der Ketzerei angeklagt wird. In der Seele des jungen Deutschen erwacht der Drang der Wahrheit; er hält der Königin Jsabella eine Rede im Stile Posccks und verfällt dem heiligen Gericht. Um ihn zu retten, verspricht Maria dem Don Adone, sein Weib zu werden, wenn er Ludwig die Pforte des Gefängnisses erschließt. Da Adone noch immer von einer rasenden Leidenschaft zu ihr erfüllt ist, thut er ihr den Willen, und während Ludwig aus ein deutsches Schiss flüchtet, nimmt sie Gift. Die Handlung, die wiederholt an die OperDer Troubadour" erinnert, ist denn auch durch allerlei melodramatische Zuthaten in das Opernhafte gewandt. Die gespannte, hier und dort schwungvolle und schwärmerische Sprache gibt der Romantik der Begebenheiten vollends den Stich in das Abenteuerliche und Un­wirkliche. Am kräftigsten erweist sich Bulthaupt's Talent in der Bewältigung und Gruppirung des schwierigen Stoffes; das Drama spielt nur wenige Tage; in keinem