Issue 
(1891) 66
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Politische Rundschau.

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Uebereinstimmung mit den befreundeten Regierungen abzugrenzen. Auf dem Gebiete der inneren Politik sollen Gesetze für das Wohlergehen der Arbeiter die hauptsächliche Aufgabe der neuen Session bilden. Allerdings soll zugleich das Gleichgewicht im Staatshaushalte angestrebt werden, wobei dem italienischen Parlamente obliegen wird, durch Ersparnisse in der öffentlichen Verwaltung, sowie durch eine Umgestaltung der gegenwärtigen Steuern genügende Hülfsquellen zu finden. Sehr bemerkenswerth er­scheint der Hinweis der Thronrede, daß König Humbert nach den Ueberlieferungen der Casa Savoia fest und unerschütterlich die Rechte der Staatsgewalt aufrecht erhalten werde; daß er zwar jeder Zeit die Rechte der Religion seiner Väter verbürge, ohne diejenigen anderer Culte zu beeinträchtigen, daß er aber auch nicht dulden werde, wenn seine souveräne Autorität in politischen Versammlungen im Namen dieser Religion angegriffen werden sollte.

Ein Vorgang der jüngsten Zeit hat allem Anscheine nach den äußeren Anlaß zu dem letzteren Hinweise der italienischen Thronrede geboten. Forderte doch in diesen Tagen ein vaticanisches Organ, der088srvators Romano", allen Ernstes zur Bildung eines eigenen katholischen Parlamentes auf. Der erste bezügliche Artikel des erwähnten Organs der römischen Curie war so gehalten, daß angenommen werden konnte, der Papst würde für die späteren allgemeinen Wahlen zur Deputirtenkammer die bisherige Losung: iks slsttoi-i ns slstti aufheben, so daß die Klerikalen activ und Passiv an den politischen Wahlen theilnehmen könnten. Allerdings müßte ein solcher Front­wechsel unmittelbar nach den soeben erst vollzogenen Wahlen seltsam genug erscheinen >> e'sst äs 1a moutaräs axrs8 äinsr bemerkten die Spötter. Allein derOsssrvators Romano" erläuterte sehr bald seine Ansicht, indem er ankündigte, es sollte ein besonderes katholisches Parlament geschaffen werden.So wird die Nation," bemerkte das Blatt, sich in einer großen Körperschaft vertreten sehen, die dazu bestimmt ist, der lebendige Ausdruck des wirklichen und katholischen Italiens zu sein." Von den Debatten, die in einem solchen phantastischen Parlamente stattfinden würden, kann man sich nach der von den ultramontanen Organen geführten Sprache einen Begriff machen. Der Osssrvators Romano" und die gesinnungsverwandte Presse übersehen nur, daß die italienische Staatsgewalt ein solches Experiment ebenso wenig dulden würde wie etwa, daß der Papst, abgesehen von seinen Schweizern und Gendarmen, ein eigenes Heer errichte und andere Staatsinstitutionen schaffe. Immerhin spiegelt die originelle Idee des0886rvatoi'6 Romano" deutlich den tiefen Groll wider, den der Wahlerfolg Crispins im Vatiean nicht minder als bei allen Gegnern der Tripelallianz hervorgerufen hat.

Wie den Widersachern des europäischen Friedensbündnisses durch den glänzenden Sieg Crispins bei den allgemeinen Wahlen für die italienische Deputirtenkammer eine schwere Enttäuschung bereitet worden ist, sehen sie auch die Erwartungen betrogen, die sie an vereinzelte Wahlerfolge der Parteigänger Gladstone^s in Großbritannien geknüpft hatten. Wurde doch insbesondere von französischer Seite bereits der angeblich bevorstehende Sturz des englischen Premierministers Lord Salisbury escomptirt, dem andererseits mit Recht Sympathien für die friedlichen Bestrebungen der Tripelallianz zugeschrieben werden. Obgleich Diejenigen zu weit gingen, die versicherten, daß Lord Salisbury sogar den Beitritt der englischen Regierung zu diesem Bündnisse erklärt habe, kann doch keinem Zweifel unterliegen, daß das von Deutschland, Oesterreich- Ungarn und Italien hauptsächlich im Interesse des Letzteren erforderlichen Falls zu wahrende Gleichgewicht im Mittelländischen Meere auch von Seiten der conservativen englischen Regierung vertheidigt werden würde, falls etwa Frankreich neue Anwand­lungen verspüren sollte, seine dort ohnehin beträchtliche Machtsphäre auszudehnen. Gelangte dagegen ein Ministerium Gladstone zur Regierung, so brauchte Frankreich keineswegs den energischen Widerstand Englands zu befürchten. Unter diesen Ver­hältnissen erhält die Parnell-Krisis ihre besondere Bedeutung. Das Mißgeschick, welches denungekrönten König" der grünen Insel bei einem vielerörterten Ehe- scheidungsprocesse ereilt hat, da er hierbei eine scknmpfliche Rolle spielte, trifft in seinen Consequenzen mittelbar auch Gladstone. Im Hinblicke auf die in England herrschenden