Deutsche Rundschau.
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Anschauungen ist der Führer der Liberalen nicht in der Lage, das Bünduiß mit Parnell als Führer der Homeruler ausrecht zu erhalten. Auf diesem Bündnisse beruhten nun aber die Hoffnungen der Gegner Lord Salisbury's, bei den nächsten Wahlen die Mehrheit im Unterhause zu erlangen. Nur der unverzügliche Rücktritt Parnell's von der Führerschaft der irischen Partei hätte Klarheit in die Situation bringen können; der „ungekrönte König" ist jedoch nicht gewillt, so leicht aus seine Macht zu verzichten. Die Erklärungen Gladstone's veranlaßten Parnell lediglich, sich mit einem Manifeste an die irische Partei zu wenden, indem er, weit entfernt, sich irgendwie schuldig zu bekennen, vielmehr dem liberalen Parteiführer sein Sündenregister Vorhalt. A
An einen von Gladstone an Morley gerichteten Brief anknüpsend, bezeichnet Parnell als den Zweck dieses Brieses, die irische Partei in der Wahl ihres Führers zu beeinflussen, sowie den englischen Liberalen ein Veto zuzuerkennen, während doch Irland die Unabhängigkeit seiner Partei als einzige Sicherheit innerhalb der Verfassung ansehe. Parnell erklärt zugleich, durch die in jenem Briefe enthaltene Drohung,
England werde, falls Irland ihm das erwähnte Vetorecht nicht gewähre, die Homerule aus unbestimmte Zeit hinausschieben, gezwungen zu sein, Enthüllungen zu veröffentlichen, die Gladstone selbst ihm hinsichtlich seiner Pläne im November 1889 aus seinem Landsitze in Hawarden gemacht habe. Mehrere Punkte kamen nach der Versicherung Parnell's bei dieser Zusammenkunft in Betracht. Gladstone betonte zunächst, daß die irischen Abgeordneten im Parlamente von Westminster bleiben sollten; er wünschte ferner, die agrarischen Schwierigkeiten in Irland beseitigt zu sehen, indem er Zweifel darüber bestehen ließ, ob nach seiner Ansicht die Landankäuse in Irland von diesem oder vom vereinigten Königreiche vollzogen werden sollten. Der dritte Punkt betras die Controle der irischen Polizei, und zwar sollten, wie Gladstone meinte, die höheren Polizeibeamten in Irland, um die öffentliche Meinung Englands zu schonen, auf unbestimmte Zeit noch von London aus ernannt werden, während Irland die Kosten zu ,
tragen hätte. Ebenso hielt Gladstone dafür, daß die Polizeirichter für die Dauer von zehn bis zwölf Jahren noch von der Centralbehörde ernannt würden.
Im Hinblicke aus diese angeblichen Vorschläge spielt nun Parnell gegenüber seinen irischen Landsleuten den unbestechlichen Mann, indem er in dem Manifeste seine eigenen unerschütterlichen Ansichten hervorhebt. Er hält dafür, daß die irische Legislatur die Rechte der Legislatur eines Staates der amerikanischen Union erhalten müsse, wie denn auch die übrigen von Gladstone in den Vordergrund gerückten Angelegenheiten lediglich von den Iren geordnet werden müßten. In Bezug aus die irische Landfrage stellte der Führer der englischen Liberalen überhaupt kein bestimmtes Programm aus, so daß Parnell bei einer Unterredung, die er mit Morley hatte, ablehnte, von Anfang an gegen die zu erwartende Regierungsvorlage einzutreten.
Nicht in Abrede gestellt werden darf, daß Parnell mit tactischem Geschick die Schwäche der Position der englischen Liberalen erkannte, indem er zugleich die ganze Streitfrage verrückte, wobei er aus die weniger an scharfe Logik als an Schlagworte gewöhnte irische Bevölkerung rechnete. Während es sich einfach darum handelte, ob Parnell, in eine schmutzige Affaire verwickelt, nicht bloß durch diese Thatsache, sondern auch durch sein lügenhaftes Verhalten in dieser Angelegenheit der Führerschaft sich unwürdig gemacht habe, so daß die Führer anderer Parteien nicht mit ihm fernerhin in Fühlung bleiben könnten, ohne ihre eigene Sache bloßzustellen, spielt der irische Agi- ^
tator sich selbst als Ankläger aus. In klangvollen Worten zählt er die Verdienste her, die er sich durch Organisirung der irischen Partei erworben habe. Seiner Führerschaft im letzten Decennium schreibt er es ausschließlich zu, daß dem englischen Volke die Nothwendigkeit von Homerule dargelegt worden sei, daß dieses Ziel aber nur erreicht werden könne, falls die irische Partei von jeder englischen unabhängig bleibe. Andererseits erachtet Parnell, indem er geschickt an die irische Bevölkerung appellirt, Homerule sowie die Gründung eines irischen Parlaments keineswegs für gefährdet, wenn das Volk ihn unterstütze. Sollte sich jedoch selbst die von der englischen liberalen Partei drohende Gefahr verwirklichen, so versichert Parnell, daß seine Anhänger mit ihm eine