Politische Rundschau.
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Verzögerung unbedenklich der völligen Preisgebung der nationalen Rechte sowie der Annahme einer Maßregel vorziehen würden, durch welche die Bestrebungen der irischen Partei keineswegs verwirklicht werden könnten. Drängen sich für jeden Unbefangenen ohne Weiteres die mannigfachen Sophismen auf. die in der Beweisführung Parnell's enthalten sind, so sah sich Gladstone doch genöthigt, den von ihm in ihrer Gesammt- heit bestrittenen Behauptungen des irischen Parteiführers öffentlich entgegenzutreten. Der Leiter der englischen Liberalen, dessen Wahrheitsliebe jedenfalls unanfechtbar erscheint, betont zunächst, daß es sich bei der Zusammenkunft mit Parnell lediglich um D eine völlig freie und unverbindliche Darlegung von Punkten gehandelt habe, durch die
der irische Homerule-Plan nach der Auffassung des englischen Staatsmannes und einer Anzahl seiner Kollegen eine Verbesserung erfahren, und in Bezug auf welche sestgestellt werden sollte, ob sie ernsten Einwendungen von Seiten Parnell's begegnen würden. Letzterer gab denn auch, wie Gladstone betont, keineswegs seinen Widerspruch zu erkennen. Sehr zutreffend wird dann ausgeführt, daß Parnell nach seiner eigenen Darstellung im Herbste des Jahres 1889 Kenntniß von wesentlichen für Irland ungünstigen Aenderungen des englischen Homerule-Plans erhalten haben will, um diese
Kenntniß bis Ende November 1890 geheim zu halten und dann erst aus Anlaß einer persönlichen Angelegenheit der ganzen Welt zu offenbaren. Gladstone stellt denn auch positiv in Abrede, die ihm zugeschriebene Erklärung abgegeben oder irgend etwas Ähnliches gesagt zu haben, fei es in Bezug auf das Verbleiben der irischen Mitglieder im Parlament, sei es in Bezug auf die Regelung der agrarischen Schwierigkeiten, die Controls über die Polizei oder die Ernennung der Richter in Irland. Dem irischen Parteiführer wird zugleich das Epigramm angeheftet, daß er sich eines groben Vertrauensbruches schuldig gemacht habe; war doch die Unterhaltung der beiden Parteiführer eine streng vertrauliche, so daß sogar die Veröffentlichung eines wahrheits- getreuen Berichtes einen Bruch des Vertrauens dargestellt hätte, während doch durch dieses allein politisches Zusammenwirken ermöglicht worden. Gladstone constatirt ferner, daß jede feiner Andeutungen auf Grund schriftlicher Auszeichnungen erfolge, wie er denn auch seine ehemaligen Kollegen im Cabinet im strengsten Vertrauen mit dem ganzen Inhalte seiner Besprechungen unmittelbar nachher bekannt gemacht habe, mit der Versicherung, daß von Seiten Parnell's in keinem einzigen Punkte ernsthafte Schwierigkeiten erhoben worden seien.
Aus den formellen Erklärungen Gladstone's, an dessen Ehrenschilde im Gegensätze zu demjenigen Parnell's sicherlich nicht der leiseste Makel haftet, geht jedenfalls die ganze Zweideutigkeit des Verhaltens des bisherigen irischen Parteiführers hervor. Als politische Konsequenz — und das ist vor Allem für die allgemeine Politik bedeutsam — ergibt sich jedenfalls, daß Gladstone nunmehr für alle Zukunft durch eine unüberbrückbare Kluft von Parnell getrennt ist, gleichviel ob es diesem gelingt, die irische Bevölkerung von Neuem zu bethören und auf der grünen Insel seine einflußreiche Stellung zu wahren, oder ob sich innerhalb der irischen Partei eine fortdauernde Spaltung vollzieht. Daß die katholische Geistlichkeit in Irland Parnell's Verhalten aufs Schärfste mißbilligen würde, mußte von Anfang an angenommen werden. That- sächlich hat sich denn auch bereits die Spaltung innerhalb der irischen Fraction Vollzogen; die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Unterhauses, die bisher der er- ^ wähnten Fraction angehörten, haben sich in aller Form von Parnell als Parteiführer
losgefagt, während dieser selbst nur wenig mehr als zwei Dutzend Abgeordnete um sein Banner zu scharen vermochte. Bei der zähen Energie, mit der Parnell seine Position zu behaupten sucht, sind Ueberraschungen aller Art, insbesondere im Hinblick auf die Stimmung der Bevölkerung in Irland selbst, nicht ausgeschlossen, zumal der bisherige irische Parteiführer nach wie vor über bedeutende Geldmittel verfügt. Sicherlich würde Parnell auch keine Bedenken tragen, mit Lord Salisbury Fühlung zu gewinnen, nachdem Gladstone in aller Form abgelehnt hat, mit der irischen Partei in weitere Verhandlungen zu treten, so lange Parnell's Führerschaft nicht vollständig beseitigt ist. Erst wenn in dieser Hinsicht ein kalt aeeomM geschlossen, wollte der