142
Deutsche Rundschau.
Immer bleibt als Centralfigur die jugendliche Gestalt des Kaisers vor unseren Augen: wir sehen ihn in der ungezwungen fröhlichen Tafelrunde; wir sehen ihn, nach Ankunft der Couriere, bei der Erledigung von Staatsgeschäften; wir sehen ihn in Fjord und Fjeld, und sehen ihn an dem mit der Kriegsslagge bedeckten Altäre den sonntäglichen Gottesdienst abhalten. Ein idyllischer Zug bezeichnet diese Fahrt, auf welcher der Kaiser, wenn nicht ganz unerkannt, doch völlig frei von allen Pflichten der Repräsentation, in grünen Wiesen sich ergeht, jedem der Kinder, welche die Gatter ihm öffnen, ein Goldstück mit seinem Bildniß schenkt und „die vielen schmutzigen Pfötchen", die sich dankend ihm entgegenstrecken, nicht zurückweist, „denn er selbst ist ja Vater von fünf blühenden Söhnen".
Mit solchen Semen eines tiefen und stillen Friedens wechseln dann die großen und glänzenden Bilder der zweiten Nordlandsfahrt, welche Se. Majestät an Bord des Panzerschiffes „Kaiser", an der Spitze seiner Manöverflotte, zu Besuchen an den nordischen Königshöfen von Kopenhagen und Christiania führte. Diesmal wehte über dem Kaiserschiff auch die Kaiserstandarte: festlich geschmückt waren Norwegens Hauptstadt und der Strand, als der König des zu freudigem Empfang gerüsteten Volkes den Souverän begrüßte, „welchen Freundschaft für den König, Sympathie für das Land und der Wille, diesen Gesinnungen Ausdruck zu geben, nun zum zweiten Male an die norwegische Küste geführt hatten", und endloser Jubel war es, unter dessen betäubendem Dröhnen Kaiser Wilhelm II. norwegischen Grund und Boden betrat. Güßfeldt sagt über diese Feierlichkeiten — für deren eigentlich ofsiciellen Theil er dem „Reichsanzeiger" das Wort gibt — daß sie deshalb einen so großartigen Eindruck hinterlassen haben, „weil die Bevölkerung ihnen den Stempel ihres eigenen Landes gab; weil es sich dabei nicht um Erfüllung internationaler Höflichkeitspflichten handelte, sondern weil das Land einen Kaiser ehren wollte, durch dessen wiederholte Besuche es sich selbst geehrt und erfreut fühlte." Nach dieser Episode, in welcher Kaiser Wilhelm II., um seinen norwegischen Sympathien einen besonderen, von dem Lande Wohl begriffenen Ausdruck zu geben, in vollem Fürstenglanz mit einer imposanten Flotte vor Christiania zu Anker gegangen war, erblicken wir ihn abermals in der unscheinbaren Tracht des einfachen Reisenden. Der gepanzerte „Kaiser" ist mit der behaglicheren „Hohenzollern" vertauscht; zusammengebogene Birken bilden die Ehrenpforten, wo der kaiserliche Wandersmann das Land betritt und rothgemiederte „xige", im Hardanger Costüm, bedienen ihn und sein Gefolge beim frohen Mahl in bescheidenen Hotels. Die alten liebgewordenen Bilder vom vorigen Jahr erneuern sich, und der Kaiser wird nicht müde, sie immer wieder zu betrachten: „die lang hingezogenen, rundlichen Profillinien und die steilen Hänge unter ihnen, die vereinzelten Höfe, das Aufleuchten der grünen Wiesen und weiß schäumenden Wasserfälle." Diese zweite Fahrt ward vom Wetter nicht begünstigt wie die erste: von allen schlimmen Dingen, die den Reisenden unterwegs treffen können, ist Regen das schlimmste. Doch die Sonne der guten Laune durchbrach auch diese Wolken: und „wenn man," sagt Güßfeldt, „von dem herrschenden Frohsinn einen Rückschluß auf das Wetter hätte machen wollen, so wäre man zu einem wolkenlosen blauen Himmel gelangt." Einmal, als es sich um einen Landausflug von 46 Kilometern im offenen Karriol bei andauerndem Regen und wehendem Südost handelte, meinte Se. Majestät lächelnd, „daß die Ausübung der Regentenpflichten Ihn oft genug in die Lage versetzte, der Unbill schlechten Wetters trotzen zu müssen; auf einer Reise, welche vornehmlich der Erholung dienen sollte, müßten solche Lagen vermieden werden." Doch äußerte sich der Thätigkeits- drang des jungen Monarchen darin, daß er solche Stunden unfreiwilliger Muße, wenn er sie nicht am Arbeitstisch verbrachte, mit Lachsangeln, Pistolenschießen und Malen ausfüllte. Dem Verfasser bot das unbeständige Wetter Gelegenheit, die Beobachtungen zu machen oder zu vervollständigen, denen wir das erwähnte meteorologische Capitel verdanken.
Auf die vier Wochen der ersten Fahrt, vom 30. Juni bis 27. Juli 1889, kamen nur zwei Regentage, während viele der übrigen, bei strahlender Sonne, den