Literarische Notizen.
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4 ,. Fürst Bismarck. Sein politisches Leben und Wirken urkundlich in Thatsachen und des Fürsten eigenen Kundgebungen dargestellt von Ludwig Hahn. Fortgeführt von I)r. Carl Wippermann. Fünfter Band. 1885 bis 1890, bis zum Rücktritt des Fürsten. Berlin, Wilhelm Hertz (Besser'sche Buchhandlung). 1891.
Mit diesem Bands schließt das Werk, welches des Fürsten Bismarck Leben in feinen eigenen Thaten erzählt, in seinen Reden, Depeschen, Staatsschristen und politischen Briefen. Als es vor dreizehn Jahren begonnen ward, konnte kein Sterblicher ahnen, daß es vorzeitig mit dem Abgang seines Helden enden würde. Wiewohl der Macht verlustig, noch immer ein Gewaltiger in den Augen der Welt und im Gedächtniß seiner Nation der Bewunderung und Dankbarkeit gewiß: so hat Bismarck den Schauplatz verlassen, der manchmal unter seinen Füßen erzittert, und hier steht sein Denkmal. Das letzte Blatt dieses vorliegenden Bandes enthält den Aufruf an das deutsche Volk zur Errichtung eines Nationaldenkmals für den Fürsten von Bismarck in der Reichshauptstadt. Aber wenn jemals Einer, so kann Bismarck mit dem lateinischen Dichter sagen: „llixsZi inonuinontwn nara zwronnEN Der Ruhmesblätter in diesen fünf gewichtigen Bänden sind so viele, daß diejenigen Publikationen, welche, wie der Jmmediatbericht vom 23. September 1888 und wohl auch die im Streit mit der Schweiz erlassenen Noten vom Z., 6 . und 26. Juni 1889, selbst treue Verehrer und Anhänger des großen Staatsmanns, mit schweren Bedenken erfüllten, vielleicht den Späteren in einem anderen Licht erscheinen werden. Fast das Ende dieser außerordentlichen Laufbahn bildend, wird Niemand umhin können, in ihnen etwas von jenem tragischen Bioment zu erkennen, welches — nach dem für das Leben nicht minder als für die Kunst gültigen Wort — wenn es für den Augenblick die Leidenschaften weckt, sie zuletzt doch immer reinigen und versöhnen wird. — Der Herausgeber der vier ersten Bände, Wirkt. Geh. Rath Dr. Ludwig Hahn, hat diesen Abschluß nicht mehr erlebt; an seine Stelle ist 1)r. Carl Wippermann, Sohn des weiland kurhessischen Märzministers, unvergeßlichen Andenkens, getreten und hat, vorzüglich dazu qualisieirt, die ihm anvertrante Arbeit mit äußerster Gewissenhaftigkeit vollbracht.
Gesammelte Werke von Hofsmann von Fallersleben. Band I. Lyrische Gedichte. Berlin, F. Fontane, 1890.
Mit dieser Gesammtausgabe wird eine Ehrenschuld an dein volksthümlichsten unserer neueren Dichter eingelöst. Auch ihm soll jetzt ein Denkmal errichtet werden an der Stelle, wo er sein „Deutschland, Deutschland über Alles" sang, auf dem deutschgewordenen Helgoland; und auch er darf, dem Erze gegenüber, auf sein Werk deuten, wie der Mächtigere, der zur weltgeschichtlichen That machte, was der von Fallersleben und seine Genossen nur im Liede gestalten konnten. Aber wer will sagen,
welchen Antheil sie dennoch an der nun vollbrachten Einigung unsres Vaterlandes hatten, die nicht müde wurden, seine Zerrissenheit zu beklagen, nicht müde, das deutsche Volk und seine Fürsten zu wecken und aufzurütteln durch begeisterten oder zornigen Zuruf und wenn es sein mußte, durch bittren Spott, und die sämmt- lich dafür büßen mußten — er vor Allen, in dessen „Unpolitischen Liedern" es heißt: „Deutschland erst in sich vereint!
Wenn uns das einmal gelinget,
Hat die Welt noch einen Feind,
Der uns wiederum bezwinget?"
Es hat ihn Amt und Stellung gekostet; er ist seitdem ein „Fahrender" gewesen und ein „Fahrender", im besten Sinne des Wortes, ist er fast sein Lebtag geblieben, seine Lieder wie Frühlingsblüthen ausstreuend über alles deutsche Land. Jetzt sollen sie nun aufgelesen und gesammelt werden, und wir heißen diesen ersten, vollen Strauß seiner „Lyrischen Gedichte" herzlich willkommen. Diesem ersten Bande werden in vier weiteren die politisch-satirischen und Zeitgedichte, die Gelegenheitsgedichte und Trinksprüche, die Epigramme, Dialekt-Dichtungen, Übersetzungen folgen und die drei letzten das autobiographische Tagebuch bringen — einen Auszug aus dem allerdings zu voluminösen „Mein Leben", aber vom Dichter bis zum Ende fortgeführt und aus seinem Nachlaß hier ergänzt. Ein feiner und liebevoller Kenner, der aus der Hosfmann-Forschung fast eine Lebensaufgabe gemacht, vr. H. Gerstenberg in Hamburg, hat sich dieser gewiß nicht mühelosen Arbeit gewidmet; möge das deutsche Volk nun zeigen, daß es nicht auch eine undankbare gewesen. Möge das Geschlecht, dem Hofftnann von Fallersleben sein Vaterlandslied gegeben, fördernd mithelfen wie am Denkmalsbau, so auch an der Vollendung dieser Gesammtausgabe, die in ihrer würdigen Einfachheit einen vortrefflichen Eindruck macht.
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In vorliegendem Bande gibt uns die Tochter Ferdinand Freiligrath's eine Ueber- setzung dreier Erzählungen aus den „Leuten vonSeldwyla", nämlich: „Kleider machen Leute", „Die mißbrauchten Liebesbriefe" und „Dietegen". Nur wer die eigne und die fast zur Muttersprache gewordene fremde so zu meistern versteht, wie Kate Freiligrath Kroeker, konnte daran denken, Gottfried Keller zu übersetzen, der auch in der Sprachbildung ein Schöpfer war und unter dessen Händen das Wort einen neuen Reiz gewann. Vieles davon mußte verloren gehen, weil es unnachahmlich und unübersetzbar ist; aber was Liebe, was Hingebung vermochten, das hat Kate Freiligrath gethan. Sie hat dieses intime Verständniß Keller's vom Vater geerbt, der — wie aus einigen, in der Einleitung mitgetheilten Stellen aus bisher ungedruckten Briefen heroorgeyt — den Zürcher Poeten schon in seiner vollen Größe erkannte, bewunderte und liebte, als die