Heft 
(1891) 66
Seite
190
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ohn Henry Uewman.

In Ueinvilain.

II.

Die Lehre.

Das Schlußcapitel seinerApologia" eröffnet Newman mit der Erklärung: von der Zeit an, daß ich katholisch bin, kann natürlich von einer Geschichte meiner religiösen Meinungen nicht weiter die Rede sein. Ich will damit nicht gesagt haben, als sei mein Geist nun müßig gewesen oder als habe ich über theologische Gegenstände nachzudenken ausgehört; nur von wesentlichen Ver­änderungen wüßte ich nichts zu berichten, empfand auch nichts von banger Leere. Ruhe und Frieden sind in vollem Maße bei mir eingekehrt; ich wurde nicht ein einziges Mal von Zweifeln angesochten. Keiner Untreue gegen meine frühere Denk- und Empfindungsweise bin ich mir bei meiner Conversion bewußt ge­worden. Ich bemerkte auch nichts von Befestigung im Glauben an die Grund­wahrheiten der Offenbarung, nichts von größerer Kraft der Selbstbeherrschung; ich wurde nicht eifriger; aber es war mir, als liefe ich nach stürmischer Seefahrt in den Hasen ein; und wie ich mich deshalb damals glücklich fühlte, so ist es mir bis aus diesen Tag ununterbrochen zu Muthe gewesen." Sicher hat der sterbende Cardinal Newman nicht anders gedacht, als der Neophht des Jahres 1845, und in dem halben Jahrhundert, welches er als Mitglied der katholischen Kirche erlebt hat, kann, inmitten all' der Kämpfe der Gegenwart, von einem Wandel seiner dogmatischen Ueberzeugungen nicht mehr die Rede sein. Trotzdem ist es nicht überflüssig, den Gesammtinhalt seiner religiös-kirchlichen An­schauungen übersichtlich vorzulegen. Das Dogma der Kirche ist nur Eines, aber die begriffliche Aneignung desselben ist bekanntlich sehr verschieden, und es kann sicher des Interesses nicht ermangeln, zu sehen, wie einer der vornehmsten Geister der Zeit sich zu den höchsten Problemen des religiösen Lebens innerlich gestellt, wie das Glaubensbewußtsein seiner Kirche sich in ihm geoffenbart hat. Niemand wird erwarten, daß wir an dieser Stelle eine strengwisienschastliche Analyse von Newman'sTheologie" geben oder eine nach allen Seiten vollständige Zu­sammenstellung seiner Aeußerungen über alle Hauptkapitel der systematischen Glaubenswissenschaft unternehmen. Nicht darum kann es sich, hier und zu dieser