Heft 
(1891) 66
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John Henry Newman.

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Stunde, handeln: Wohl aber erscheint es angemessen, daß die gebildete Welt der Gegenwart Kenntniß davon nehme, wie derjenige Mann, der auf die Geister seines Vaterlandes sechzig Jahre lang den größten Einfluß geübt, über die religiösen Fragen gedacht hat, und wie sich die kirchlichen Kämpfe seiner Zeit in seinem Geiste spiegelten*).

Alle Religion geht von dem Glauben an Gott aus.Fragt man mich aber," sagt Newman,warum ich an einen Gott glaube, so heißt die Antwort: weil ich an mich selbst glaube; denn ich halte es für un­möglich, an mein eigenes Dasein zu glauben (und dessen bin ich doch un­bedingt gewiß!), ohne zugleich an das Dasein dessen zu glauben, der in

meinem Gewissen als ein persönliches Wesen lebt, das Alles schaut und Alles

richten wird." Sehr verschieden aber ist ihm der Gott des Monotheismus und der des Rationalismus. Der Gott des Monotheismus ist ein individuelles, unabhängiges, vollkommenes, unwandelbares Wesen, Intelligenz, Leben, persön­liche Gegenwart ; er ist allmächtig und allwissend, sich selbst genügend, weil aus und von sich selbst, der Schöpfer des Universums und der Richter über alle Creatur.Versteht ihr aber unter dem Worte ein Wesen, das in der Welt wirkt und sie in Ordnung hält nur auf dem Wege allgemeiner Führung, nur durch das Mittel allgemeiner Naturgesetze, durch deren Medium allein es erreichbar ist nun, solch' ein Gott ist leicht zu verstehen und nicht schwer zu ertragen. Solch' ein Gott ist nur noch ein constitutioneller himmlischer Monarch, sein Thron nur noch eine Form; der Begriff Gottes erniedrigt zu einer Anerkenntniß des Bestehenden, der sinnfälligen Mächte und Phänomene,

die doch nur ein Idiot zu leugnen wagt. Nimmt man einen solchen Gott an,

so ist Theologie nur ein Name, der Betrieb einer solchen nur eine Hypokrisie. Diese Theologie der Natur ist auf eine Linie zu stellen mit der Philosophie oder der Romantik der Geschichte, mit der Poesie unserer Kindheit, mit der Dar­stellung des Malerischen. Empfindsamen u. s. f., wie es Genius oder Einsall des Einzelnen, Mode des Tages u. s. w. mit sich bringt" M Im Gegensatz zu jedem Rationalismus ist ihm das Princip des Dogmas als eines über­natürlichen Glaubens, weil von oben herab gereicht, definitiv und absolut und nur unvollkommen und des Fortschritts fähig, insofern es menschlicher Erkenntniß unterworfen und menschlicher Aussprache anheimgegeben ist. Als Correlativ des Dogmas ist demnach auch das Princip des Glaubens die unbedingte Annahme des göttlichen Wortes und die innere Zustimmung zu diesem, selbst

9 Die der folgenden Darstellung beigegebenen Citate beziehen sich durchweg auf die neuesten Abdrücke der Newman'fchen Werke in der bei Longmans, Green L Co. in London erschienenen und 1889 mit dem 37. Bande abgeschlossenen Gesammtausgabe. Doch wurden hier und da auch die deutschen Uebersetzungen neben den Originalen angeführt; so besonders von derApologia" die 1865 zu Köln erschienene von G. Schündelen (Geschichte meiner religiösen Meinungen"); von den »Oi86onr868 to Nixoä OonAroMtions" die von demselben besorgte Uebersetzung (Religiöse Vor­träge an Katholiken und Protestanten", Mainz 1851). Einige, aber nicht ausgiebige Dienste leistet Demjenigen, welcher Newman's Geist kennen lernen will, das von dessen Freund William Samuel Lilly herausgegebene Werk: Olluruotoristies Nom tim vritinM ok ,7. 71. Xmvimm.

ocl. Oonäon. 1888.

2) Iclos ot a Ilnivorsit)', x. 36.