196
Deutsche Rundschau.
beigepflichtet, welche die römische, griechische und anglikanische Kirche als gleichberechtigte Zweige derselben apostolischen Institution ansieht, so lehnt er nunmehr jede Vermittlungstheorie ab; er verzichtet auf seine alte Lieblingstheorie von der VW meckia und lehnt ebenso die anglikanische Theorie ab*), wie er auf das Allerentschiedenste die protestantische Vorstellung von der Kirche eine Fabel nennt ^). Gegen die Göttlichkeit dieser Kirche sind weder die Aergernisse in derselben^), noch die Differenzen unter den Katholiken selbst^), noch endlich der sociale Zustand der katholischen Länder im Vergleich zu den protestantischen Z als Argumente anzuführen. Auf den Erweis, daß namentlich letzterer Punkt nicht gegen die Kirche ins Feuer geführt werden darf, kommt Newman mehrmals zurück Z. Es entgeht seinem Blicke nicht, daß der Gegner sofort einwenden wird: dein System ist von Anfang an ganz auf die Sprache des Gewissens gegründet, und doch kommst du schließlich zur Zulassung einer Kirche, welche sich nur aus dem Ruin des individuellen Gewissens ausbaut. Er ist darum zunächst bemüht, herauszustellen, daß der menschliche Geist durch das Gesetz des Katholicismus nur in Dingen der Offenbarung gebunden, in allen anderen ebenso frei ist, wie er es im Protestantismus ist^), dessen Princip übrigens, wie er sagt, für die Meisten doch nur einen glänzenden Schein — maZui nominis umdra— bedeute M Was aber das individuelle Gewissen in seinem Verhältniß zur Auctorität der Kirche anlangt, so behandelte Newman diesen Gegenstand eingehend in seiner bekannten Antwort auf Mr. Gladstone's „Lxxostuwtiou". Er sprach da von gewissen „äußersten Fällen", in welchen das Gewissen mit dem Wort eines Papstes in Collision gerathen kann und trotz dieses Wortes doch jenem gefolgt werden muß. „Das Gewissen," heißt es da weiter, „ist das in den Seelen des einzelnen Menschen gebietende Gesetz Gottes, und es wird, auch wenn es bei seinem Eintritt in das geistige Medium eines Jeden einige Brechung (rskraetiou) erleidet, doch dadurch nicht in der Weise geschädigt, daß es seinen Charakter als göttliches Gesetz verlöre, sondern es hat als solches noch immer das Vorrecht, Gehorsam zu fordern. Daher ist es niemals erlaubt, gegen unser Gewissen zu handeln, wie das vierte Lateranconcilium sagt: guickgulä kt kontra eonseientiam, aeckikeat aä Zekennam... Das Gewissen ist Weder weitsichtige Selbstsucht noch der Wunsch, mit sich selbst im Einklang zu sein; sondern es ist eine Botschaft von dem, welcher sowohl in der Ordnung der Natur, als in der der Gnade zu uns von hinter einem Schleier
Für die Abweisung eines falschen „Altchristenthums" s. ^potoZiL, S. 85, 115 (deutsche Uebersetzung); betreffs der apostolischen Succession, welche die anglicanische Tradition nicht anerkenne, s. II, x. 109; betreffs der anglikanischen Weihen, gegen deren Rechtmäßigkeit er
sich erklärt, s. ^nZUean vitLenttikb, p. 70; sein späteres Urtheil über die tractarianische Bewegung ebenda, S. 114—131; seine Meinung von der anglicanischen Kirche überhaupt ebenda, S. 4.
2) Stellung der Katholiken in England. Deutsche Uebersetzung S, 1, 88, 74. b) Oeeu8ioimi 86iinon8, x. 144.
I)itllc:nlti68, I, x. 296.
5) Ebenda, I, p. 229.
6) Vergl. besonders die Position ot OatlloiiW, ein Buch, das zum großen Theile der Widerlegung dieses „Vorurtheils" gewidmet ist.
, , ?) OWeuIt,i68, x. 263.
b) Lssavs, erit. anä lli8t., II, p. 839.