John Henry Newman.
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Augen darüber zu öffnen, was es für Rom selbst bedeute, den größten Namen, den der Katholicismus in diesem Jahrhundert sich gewonnen, den größten, den der Anglicanismus je verloren (wie Gladstone sich ausgedrückt hat) zu des- avouiren und den Verpönten des Index zuzugesellen.
Wer Newmans Ausführungen über die päpstliche Suprematie und das Laeiamsntum unitatisH gelesen, der kann nicht bezweifeln, daß er dem Papstthum in tiefster Seele ergeben war. Mit wahrer Begeisterung schildert er in seinen Reden die politische Weisheit des apostolischen Stuhles, spricht er von den Verpflichtungen der Katholiken gegen denselben ^). Außerhalb der Kirche wird er darum immer als ein Ultramontaner gelten; innerhalb derselben zählte man ihn nicht zu dieser Partei. So hoch er die Auctorität des Papstes stellte, so wollte er, dem jedes Gesetz heilig war, von einem das Gesetz ignorirenden Absolutismus nichts wissen. Als ich ihn einst frug, was seiner Ansicht nach das größte unter den Uebeln sei, welche die heutige Kirche betrüben, antwortete er: das sei der maßlose Druck, welchen der heilige Stuhl auf die Bischöfe und die Gesammtheit der Kirche ausübe; und er erwartete von Leo XIII. hier eine Remedur, nachdem dieser eben bei seiner Thronbesteigung erklärt hatte, künftighin nichts ohne den Rath seiner Cardinäle thun zu wollen. Wer darum Newman einen „liberalen Katholiken" nennen wollte, nämlich in dem Sinn, welchen man meistens damit verbindet, würde wieder ihn und sein innerstes Wesen vollkommen mißverstehen. Nichts ist im Grunde Newman weniger sympathisch gewesen, als der landläufige Liberalismus in religiösen Dingen. Wir haben oben gesehen, Was er darunter verstand. Der Tractarianismus selbst war nach Newman's eigenem Zugeständniß gerade die dem Liberalismus (in theologischen Dingen) entgegengesetzte Strömung. Nichts lag ihm ferner als eine Compro- mißtheologie, welche er nur auf Schwäche des logischen Denkens und Haltlosigkeit des Charakters zurückführte. Es entsprach das seinem ganzen Charakter, der nichts von schwächlich-diplomatistrendem Wesen hatte, ja, der unter Umständen eine Anderen zuweilen schwer verständliche Härte zeigte. So brach er schon l829 vollkommen und offen mit seinem bisherigen Meister und Freund, Du. Whately, als dieser sich zum Führerder Emancipationisten, also zum Verteidiger der vom religiösen und politischen Liberalismus betriebenen Emanci- pation der Katholiken, entsprechend den Wünschen des Wellington'schen Cabi- nettes, gemacht hatte; als Whately 1834 nach Oriel College kam, war Newman der Einzige, der ihn nicht begrüßte, und als Rector der Dubliner Universität wohnte er dem Erzbischof Whately gegenüber, ohne daß er ihn wiedersah. Vierzig Jahre später lehnte Newman gelegentlich eines Aufenthaltes in London den Besuch eines bekannten römischen Kirchenfürsten mit der Erklärung ab, er schulde es seiner Stellung, aus den Verkehr mit einem Kirchensürsten zu ver-
9 Dssav ou Mo Development, p. 148 k. Orammar ok V886iit, Oda.pt. VII I.
2) läoa ol a Dniveisit^, p. 13. OeEwiial Zeimons, p. 271. Wie Newman über gewisse von der Kirche tolerirte Mißbräuche, wie über die Nothwendigkeit, einem gewissen Aberglauben nur mit äußerster Vorsicht entgegenzutreten, dachte, lehren die beachtenswerthen Ausführungen in der kiekae« to tlio tdiinl Ddition der Via mociia, ß 13 II. (p. DVIII I.).