Issue 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

zichten, dessen Verhalten er als unheilvoll bezeichnen müsse. Und doch war Jener einst sein Vertrauter gewesen. Solche Vorgänge lassen auf eine säst erschreckende Festigkeit des Wesens schließen. Aber man würde gleichwohl Newman vollkommen Unrecht thun, wollte man ihn für einen jener harten und zelotischen Theologen halten, welchen es besondere Freude macht, das Thor der Hölle möglichst zu erweitern und den Weg zum Himmel mit neuen spitzen Steinen zu pflastern. War Newmans Geist unerbitterlich hin­sichtlich der Priucipien, konnte er nicht oft genug hervorheben, daß die Glau­bensbotschaft sich nicht halbiren lasse, so war seine Gesinnung doch mild nicht in Folge seines Naturells, das weiter eher hart und schneidend war, nicht dank seines Temperaments, das dem Vergnügen, einen Feind zu zermalmen, sehr- zugänglich war, sondern kraft der Erziehung, die er an sich selbst geübt, und der Wege, die ihn die Vorsehung geführt hatte. Auch Gladstone erkennt in der gegen ihn gerichteten Replik dankbar den milden Ton seiner Sprache an. Der Heftigkeit gewisser Stimmführer des Jahres 1870 gegenüber hat er wieder­holt erklärt, daß ungeachtet seiner persönlichen Anschauungen es ihm unmöglich sei, nicht tiefes Mitgefühl zu empfinden mit den Seelenkämpfen und den inneren Leiden Jener, welche anderer Ansicht seien. Sein ganzes System desMini misirens" ist ein Ausfluß dieser Gesinnung gewesen und steht im schroffsten Gegensatz zu dem Verfahren des modernen Pharisäismus, welcher darauf aus­geht, die Geister in immer tiefere Schatten zu hüllen und die Seelen mit neuen und unerhörten Lasten zu beschweren. Auch eine andere ihm eigene Lehre zeugt dafür, daß lieblose Härte in seiner Theologie keinen Platz hatte. In der Oramumr ot ^.Wsut" (S. 422) eignet er sich die Meinung angesehener älterer Theologen an, daß die Höllenstrafen, wenn man ihre Endlosigkeit auch dog­matisch nicht bestreiten könne, doch eine zeitweilige Unterbrechung haben dürften und daß diesUstrigeiium" der Verstoßenen darin bestehe, daß dieselben das Bewußtsein von der ewigen Dauer ihres Leidens zeitweilig verlören. Man hatte diese Theorie als unkirchlich angefochten; in einer den spätern Ausgaben der Orannnar" zugefügten Note (Note III ff-, S. 502) vertheidigt Newman seine Meinung. Er erinnert an die Legende von dem Mönch, welcher in den Wald ging, um der Betrachtung zu Pflegen, und welcher hier durch den Gesang eines Vogels dreihundert Jahre sestgehalten wurde, wähnend, nur eine Stunde lang sei er in diesem Genüsse verloren gewesen. Warum sollte Gott den Unseligen nicht gewähren können oder wollen, was er dem Heiligen schenkte dies süße glückliche Vergessen?

So war auch Newman's politische, bzw. kirchenpolitische Auffassung himmel­weit verschieden von dem pseudoconservativen Fanatismus der Ward und Veuillot. Man hatte seine entschiedenen Aeußerungen gegen den Liberalismus als eine Stellungnahme gegen die von Lacordaire und Montalembert geführte Richtung gedeutet. Im ersten Anhang zu der^.xoloZiu" erklärte sich daher Newman über diesen Punkt.Ich halte es," schreibt er,nicht für möglich, daß ich in irgend einem wesentlichen Punkt anderer Meinung sein sollte, als zwei Männer, die ich so sehr bewundere. Der Grundrichtung ihres Denkens und Verhaltens stimme ich freudigst bei; ich sehe in ihnen Geister, die ihrer Zeit vorangeeilt sind. Trage