Issue 
(1891) 66
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John Henry Newman.

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ich gleichwohl Bedenken, mich ihrer Sprechweise in Betreff des Liberalismus anzuschließen, so ist das in so mancherlei begründet, was dort zu Lande und hier entweder den Worten einen anderen Sinn gibt oder sich sachlich anders gestellt findet." Newman bekannte sich in und nach Oxford stets als Tory: aber auch dem englischen Tory ist selbstverständlich, daß die moderne Gesellschaft nicht anders als in verfassungsmäßigen Formen leben kann, was ja das Erste war, was Montalembert und Lacordaire forderten und das Letzte ist, was die Leute der Staatsstreiche und die Handlanger des Despotismus in Staat und Kirche zugestehen möchten.

Hundert andere Punkte verdienten hervorgehoben zu werden, um an ihnen die Eigenart, Hoheit und Anmuth der Newman'schen Auffassung und Darlegung zu zeigen H; aber ich darf die Geduld meiner Leser an dieser Stelle nicht länger in Anspruch nehmen. Was hier vorgelegt wurde, genügt im Allgemeinen, um ein Bild von Newman'sTheologie" zu geben. Der Verfasser dieser Zeilen ist sich und seinen Lesern die ausdrückliche Erklärung schuldig, daß er sich mit dieser Theologie keineswegs in allen Stücken identificirt, und daß er an dieser Stelle ganz davon absieht, dieselbe einer Kritik zu unterziehen. Wollte er eine solche vornehmen, so müßte er einmal darauf Hinweisen, wie die Newman'sche Argumentation der Widersprüche durchaus nicht enträth; wie dieselbe vielfach, ohne es zu ahnen oder zu wollen, mit der einen Hand zurückzieht, was sie mit der anderen gibt; wie sich selbst aus dem starren Dogmatismus des Verfassers derFpologm" ein höchst subjectivistischer Kern herausschälen und sagen läßt, daß, wenn Newman die Kirche Englands verlassen, doch der Geist des englischen Nationalismus ihn nie verlassen hat. Es wäre vor Allem aber die tiefe Kluft auszuweisen, welche Newman von der historischen An­schauung trennt. Der Cardinal ist in dieser Hinsicht eine höchst charakteristische Erscheinung. Dietheologische Frage" dreht sich in der Gegenwart ganz um den Antagonismus des historischen und des dogmatischen Erkennens. Die Zukunft

i) Ich verweise zunächst im Allgemeinen auf die für Newman's Beurtheilung höchst wichtige Vorrede zu der dritten Ausgabe der Via ineäiu (London 1877), dann auf seine Ausführungen über Messe und Transsubstantiation (XpoloZiu, x. 239; I ,oss unä duin, x. 290); über die Beichte (krssont Position ob datllolies, x. 351); über die evangelischen Räthe (Oise, to Mxoü dongr., x. 313); über die Idee des Mönchthums (ebenda und Hist. Lkotollos, II, x. 372); über Reliquien und Wunder (krosont Position ok dutllolies, p. 298; Verses ou Vurious Oeeasions, x. 331; druinmur ob Xssont, p. 298); über Natur und Gnade (Oise, to Nixeä OouZr., VIII, p. 146 k.); über die Sünde (Oceusionul Lerinons, x. 40; XnZIicuu Oiküeuitios, p. 396); über Maria (vergl. gegen Puseh's bürenieon: XnAl. viktic., II, besonders p. 9, 26, 77; Nuter I)ei etc., Diseourses (to Mxeä douZreZ., p. 361, 351, 355, 365, 375, 357); über Christenthum und elastische Studien (Dubliner Reden, deutsche Uebersetzung S. 241); über Christenthum und Naturforschung (ebenda S. 263 f., 295); über Christenthum und wissenschaftliche Forschung überhaupt (ebenda unddni- vsrsit^ Zorinons"); über die französische Revolution (krosent Position ok dutllolies, p. 220); über Napoleon (drurmnur ok Vssout, p. 324). Für Newmans tiefe Auffassung des Seelenlebens zeugen namentlich die Abschnitte über die Idee der Heiligkeit (Diso, to Mxoä donZr. , x>. 94); über das freiwillige Leiden (ebenda p. 313); vor Allem die einzig dastehende Rede über das Seelen­leiden des Herrn (Diso, to Llixsä douZr., XVI: mental sullerings ok our I,or<I in bis passion). Interessant ist auch seine Definition desGentleman" (läou ok a dnivmsitv, p. 204), deren Beachtung gewissen Schriftstellern in hohem Grade zu empfehlen ist.