212 Deutsche Rundschau.
Beeinträchtigung von Fähigkeiten erweitert zu sehen, die unzweifelhaft höher stehen."
Newman selbst hat danach gehandelt, seiner geistigen Thätigkeit Grenzen gezogen, bestimmte Gebiete des Wissens, auch wenn sie ihm nahe lagen, nicht berührt. Ein solcher Verzicht ist werthlos, oft lächerlich, wenn die Unfähigkeit ihn leistet, Weil die Kraft versagt. Er wird großartig von Seiten eines gewaltigen, schöpferischen Geistes. Bei Newman trat, aus den höchsten Motiven, das Opfer des Erfolges hinzu. Was, darf man füglich fragen, wäre aus dem englischen Parteiwesen geworden, wenn ein Redner von Newman's geradezu unerschöpflichen Mitteln, von seiner wunderbaren Macht aus die Menschen, von seiner Gewalt der Ironie und seiner Schärfe der Dialektik die conservative Partei jener entscheidenden Jahrzehnte ins Tressen geführt hätte? Welche Erfolge hätten ihn erwartet, wenn er 1846 und als Laie in das nationale Leben zurückgekehrt wäre?
Statt dessen ging er 1849 mit seinem Liebling, Pater Ambrose St. John, in die von der Cholera verheerten Mansarden von Birmingham und gab sich der Ansteckung Preis. Aus seinen katholischen Tagen stammen die formvollendetsten und ergreifendsten seiner Predigten, jene z. B. über „Christi geistiges Leiden in seiner Passion" ^), und diese Großheit des Stils, diese Macht des religiösen Pathos hat seine Oxforder Zuhörerschaft allerdings nicht gekannt. Allein seine Feder und seine Zeit standen, wie gesagt, meist im Dienste Anderer, und er geizte nicht mit ihnen. Man wußte, daß er Italien liebte, daß er die weltliche Macht für ein mindestens sehr zweifelhaftes Glück hielt, daß ihm jede Verquickung politischer Zwecke, Interessen und Jntriguen mit religiösen Fragen, die extremkirchlichen Parteien der Reichstage und Parlamente ein Greuel waren. Aber er trat nicht gegen sie auf und blieb unbetheiligt an den Kämpfen der Tribüne und der Presse. Die anfänglich der „Apologia" beigedruckte kontroverse mit Kingsletz verschwand aus den späteren Ausgaben; den literarischen Nimbus gab er hin, nachdem der Zweck erreicht war. Zwei ganz verlässige Zeugen bestätigen, daß „lüs vreum ok Oeroutius", das Gedicht, in welchem Newman den Uebergang einer Seele von der Zeit in die Ewigkeit schildert, und das nur mit einzelnen Stellen des „llurgatorio" verglichen werden, in einer Vision des „llaruäiso" seinen Platz finden könnte, durch einen bloßen Zufall aus dem Papierkorb gerettet wurde.
So verschwenden nur Könige.
Es kann nicht Wunder nehmen, wenn ein so gearteter Mensch den Menschen nicht leicht verständlich ist, Wenn sie sich fragen, was er denn eigentlich gewesen sei, ein Theologe oder ein Dichter, ein Gelehrter oder ein Visionär, ein Genie oder ein Schwärmer?
Newman war zweifellos ein vielseitiges intellectuelles Phänomen, aber der Grundzug seines Wesens ist anderswo, er ist auf der ethischen Seite zu suchen. Wie Pascal, an den er in der Methode und durch so manchen geistigen Zug erinnert, hatte er eine tief pessimistische Anschauung von der Welt, von dem tragischen Conflict, der durch die Schöpfung geht, von der Hosfnungs-
In den „8ei'Mons näär6S86ä to Nixeä OonZreZations".