Issue 
(1891) 66
Page
213
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

John Henry Newman.

213

losigkeit seiner Lösung und der Unheilbarkeit seines Schmerzes. Er ist nie beredt- samer, als wenn diese Probleme ihn beschäftigen.Die schwachen, unbestimmten Merkmale eines allumfassenden Planes," so lautet eine berühmte Stelle,die blinde Evolution, die sich endlich als das Walten großer Kräfte oder Wahrheiten erweist, das Sichsortbewegen der Dinge, wie aus unvernünftigen Elementen und nicht Vorgesetzten Zielen entgegen, die Größe und Niedrigkeit des Menschen, seine weit ausgreifenden Absichten, seine kurze Dauer, der Vorhang, der seine Zukunft deckt, die Enttäuschungen des Lebens, die Niederlage des Guten, der Erfolg des Bösen, physischer Schmerz, moralische Qual, die Uebermacht und Intensität der Sünde, die Alles durchdringenden Abgöttereien, die Verderbtheit, die öde, aus­sichtslose Irreligiosität, dieser Zustand des ganzen Geschlechts, der ebenso trostlos als wahr in den Worten des Apostels geschildert ist, ,daß er von keiner Hoffnung wisse und ohne Gott in der Welt sei' Alles dieses ist eine Vision, die betäubt und entsetzt, und den Geist mit der Ahnung eines tiefen Geheimnisses belastet, das menschlicherweise nicht aufzuklären ist."

Aber Newman gehörte nicht zu Denjenigen, welche die Verzweiflung dem Glauben in die Arme treibt. Die frühe Zuversicht seiner Jugend in die Realität zweier, in lichtvoller Evidenz existirender Wesen er selbst und sein Schöpfer hat er in lebenslanger, mühevoller Gedankenarbeit zu einem System der Religionsphilosophie ausgestaltet, das ihm Gewißheit gab. Allein einerseits wußte er so gut als Einer, wie selten die Menschen überhaupt fähig und gewillt sind, durch selbständige Untersuchung zu einem solchen Resultate zu gelangen; andererseits leugnete er nicht, daß auch seine Philosophie wie Döllinger sie einmal genannt hateine subjective" sei; daß, was ihm überzeugende Klar­heit war, für Andere dunkel oder ungenügend blieb, daß es überhaupt so viele Wege zur Erkenntniß als Menschen gibt/' die sie suchen. Aus demselben Material, aus welchem er das Gebäude seines religiösen Glaubens und seiner sittlichen Weltanschauung errichtet hatte, bauten sich Freunde und Genossen seiner Kampfes­jahre wunderliche Zufluchtsstätten, durch die der kalte Hauch des Atheismus oder der Wüstenwind fanatischen Tyrannenthums streifte. Darum theilt Newman mit Pascal die tiefe Ueberzeugung von der Unzulänglichkeit der menschlichen Vernunft allein, um zur Wahrheit zu gelangen. Er glaubt mit ihm, daß der ganze Mensch, sein Gewissen, seine Seele dabei betheiligt seien, und in diesem Sinne sagt er:Leben ist Handeln. Wenn wir auf Beweise für Alles bestehen, kommen wir nicht zum Handeln, denn um zu handeln, müssen wir von einer Voraussetzung ausgehen, und eine solche Voraussetzung ist Glaube."

Das letzte Ergebniß der Newman'schen Theorie ist somit ein durchaus praktisches, und praktisch bleibt es auch dann, wo es auf das höchste Ziel des Handelns, auf Heiligung gerichtet ist. Die Abstractionen der Mystik, die Palmen der Verfolgung und das Schauen der Ekstase hat er ebenso wenig als Ehre vor den Menschen begehrt. Sein Gebet für seine Freunde und für sich be­schränkte sich darauf,es möge ihnen gewährt sein, unbemerkt zu bleiben und übergangen zu werden wie Leute aus der Menge" H.

H S. läkrs. oka 2<l. 205 und Wilfrid Ward,8oins ^,8p6et8 ok^6vsiug.n'8

luünönee,, (Xin6t66lit1i Lenturv. Scptember 1890, S. 567).