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Deutsche Rundschau..
Der Verkehr an dem langen Küstenstrich der Goldküstencolonie ist durch die oben angeführten, mehr oder weniger der ganzen Guineaküste gemeinsamen natürlichen Hindernisse außerordentlich erschwert. Selbst die Dampfer der den Postverkehr längs der afrikanischen Westküste vermittelnden Schiffslinien suchen die Landung zu vermeiden und den eigentlichen Küstendienst durch Localschiffe besorgen zu lassen. Der Küstencolonie dürfte eine bessere nächste Zukunft bevorstehen als den vorher genannten Küstenniederlassungen, welche kein Hinterland mit geordneten politischen Zuständen zur Ausdehnung ihres Handelsverkehrs haben. Aber nördlich von der eigentlichen Goldküste dehnt sich das ansehnliche Königreich Aschanti aus mit annähernd fünf Millionen Einwohnern, die einen lebhaften Sinn für Handel und Industrie haben. Die Hauptstadt Kumassi soll 100000 Einwohner haben. Aschanti wird nach Osten vom Fluß Volta begrenzt, der auch dem Verkehr dient und den Schlüssel bildet zu den noch unbekannten nördlichen Districten des Landes und deren Nachbargebieten. Weniger wichtig als Hinterland und viel unbedeutender ist das der Sklävenküste nahe gelegene Nachbarland Aschantis, Dahomei, dessen nur etwa eine Viertelmillion zählende Bevölkerung noch völlig uncultivirt ist, obwohl sie fleißig, im Ackerbau erfahren und nicht ohne industrielle Geschicklichkeit sein soll. Der Haupthafen für dieses Gebiet ist das in englischen Händen befindliche Waida.
Sehr viel wichtiger als Hinterland ist, wie bereits angedeutet, Joruba mit der Hauptstadt Abeokuta, die 100000 Einwohner zählt; dasselbe beherrscht den Handel am unteren Niger. Seine Bevölkerung wird aus drei Millionen geschätzt und ist fleißig, gesittet und im Handel und Industrie Wohl erfahren.
Hiermit sind wir am Gebiete des Niger deltas an gekommen, dos mit der größten Fruchtbarkeit ebenfalls das unheilvollste Klima für Bewohner gemäßigter Himmelsstriche verbindet. An und für sich ist dasselbe vorzugsweise in Folge der untergeordneten Zustände seiner in zahlreiche Stämme zerfallenden Bevölkerung vorläufig von keinem besonderen commerciellen Werth, obwohl es Palmöl in reichster Fülle liefert; aber es bildet den Schlüssel zu den reichen und in der Cultur vorgeschrittensten Ländern des West- und Mittelsudans und ist als solcher von der höchsten Wichtigkeit, wenn auch diese noch nicht voll gewürdigt zu werden scheint.
Wir haben im Eingänge zu dieser Arbeit gesehen, daß eine Besprechung der commerciellen Verhältnisse Nordafrikas sich nicht auf die Küstengebiete des Mittelmeeres beschränken kann, sondern für viele dieser das fernere, freilich durch ungeheuere Räume von ihnen getrennte Hinterland, den Sudan, mit in Betracht ziehen muß. Wie dieser weite Raum der Sahara mit seiner trostlosen Oede überbrückt, das so weit entfernte Hinterland dem Küstengebiete und damit Europa gewissermaßen genähert werden könnte, ist eine wichtige Frage, welche oft genug aufgeworfen und neuester Zeit mit Vorliebe durch den Vorschlag einer transsaharischen Eisenbahn beantwortet worden ist. Jedem Unbefangenen und in afrikanischer Geographie Erfahrenen muß es seltsam erscheinen, daß ein so verfrühtes, mit der Productionskraft der Sudanländer und dem Werthe der Erzeugnisse derselben vorläufig in keinem Verhältniß stehendes Project seit Jahren mit dem größten Eifer discutirt worden ist, während man von den Flußwegen,