Die Verkehrs- und Handelsverhältmsse Nordafrikas.
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Welche in naturgemäßerer und vorteilhafterer, weil wohlfeilerer Weife einem großen Theile des in Rede stehenden Gebietes den Absatz feiner Erzeugnisse nach Europa zu vermitteln versprechen, wenig oder gar nicht gesprochen hat. Und doch verdienen der Niger und sein großer östlicher Nebenfluß, der Benutz, für jetzt sehr viel eher als Absatzwege für West- und Mittelsudan in Betracht gezogen zu werden.
Während die meisten afrikanischen Ströme sich in ihrem Unterlaufe durch Katarakte und Stromschnellen auszeichnen, und dadurch des Vorzugs, als Verkehrswege zu dienen, verlustig gehen, ist der Niger bis auf ungefähr siebenhundert Kilometer (bis über Rabba hinaus) von seiner Mündung für Dampfer mit geringem Tiefgange schiffbar, und der unter rechtem Winkel in ihn mündende Benutz erlaubt die Schiffahrt auf eine^ Entfernung von ungefähr neunhundert Kilometer (bis über Jola, der Hauptstadt Adamauas hinaus) von seiner Mündung. Der Punkt des Benutz, bis zu welchem die Schiffe gelangen können, liegt in geradem Süden vom Tsadsee, wird in längstens vierzehn Tagereisen durch eine reiche, sichere Gegend von Kuka, der Hauptstadt Bornus, erreicht und ist nur etwas über zweihundert Kilometer von den schiffbaren Schari-Flüssen Bagirmis und Bornus entfernt. Oestlich an den Niger grenzen die dicht bevölkerten industriereichen Haussaländer mit ihrem Bodenreichthum und ihren gesitteten Zuständen; nördlich von Benutz dehnt sich das fruchtbare Bornureich aus, in dem Ackerbau, Handel und Industrie blühen; südlich von demselben liegt das an Naturproducten und Elfenbein reiche Adamaua; nach Osten ist das durch den Islam ebenfalls verhältnißmäßig in Cultur vorgeschrittene Bagirmi zugänglich. Ohne die Völkerschaften westlich vom mittleren Niger, die aus niederer Cultur- stufe stehen, mit in Berechnung zu ziehen, würden sich ungefähr zwanzig Millionen Menschen (die Haussastaaten, Nyfe und Adamaua mit etwa zwölf, Bornu mit fünf, Bagirmi und die angrenzenden Landschaften mit drei Millionen) für ihren Handel dieser Flußwege bedienen können, ohne daß kostspielige und weite Landtransporte — die genannten Länder sind alle reich an Lastthieren — vorherzugehen hätten. Durch Einrichtung einigermaßen befestigter Factoreien längs des Niger und Benutz würde der Verkehr gegen etwaige räuberische Stämme leicht gesichert werden können, obgleich von Seiten der vorherrschenden Fellata-, Haussa- und Bornuleute keinerlei Unordnungen zu fürchten sein würden.
Erst mittelst dieser von der Natur gegebenen, wenig kostspieligen Handelswege würde es möglich sein, auch die minder werthvollen Erzeugnisse des Sudan in den Welthandel zu bringen, die dortigen Völker zu größerer Thätigkeit anzuregen und den Ländern eine allmälige, naturgemäße Entwicklung zu sichern. Wenn außerdem die Ländergebiete am oberen Niger den geplanten Absatzweg der Eisenbahn zwischen Senegal und Niger gefunden haben werden, und wenn vom ägyptischen Sudan aus ein Schienenweg einerseits an das rothe Meer, andererseits nach Dar-For — von dem letzteren könnte auch das Nachbarland Wadai' Vortheil ziehen — geleitet würde, so erhielten damit alle Sudanländer die ihnen nach Maßgabe ihrer Lage und Beschaffenheit zukommenden Verkehrs- und Absatzwege.