lieber Klimaschwankungen.
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besessen haben und erst in jüngerer Zeit eine Abnahme der Wärme eingetreten ist. Die Hauptschwierigkeit aber bildete die Eiszeit, oder schärfer ausgedrückt, das Wiederaufhören der Eiszeit. Es hat in einer verhältnismäßig sehr jungen geologischen Vergangenheit, als unsere jetzigen Gebirge schon standen, die Flüsse im Allgemeinen den jetzigen Betten folgten, die Vertheilung von Land und Meer die gleiche war, wie gegenwärtig, eine Zeit gegeben, in der die Alpengletscher bis gegen München, Verona und Lyon reichten, die großen canadischen Seen Betten von Eisströmen waren, wo auf den eisfreien Gebirgen Mitteldeutschlands und Frankreichs eine polare Flora und Thierwelt lebte, und das von den norwegischen Gebirgen ausgehende Eis bis an den Harz und das Riesengebirge, und bis in das mittlere Rußland reichte. Das gehört zu unseren allergesichertsten geologischen Thatsachen. Diese Eisperiode hat aber wieder aufgehört; sie hat sich einmal, vielleicht zweimal wiederholt, aber die Erde ist doch wieder warm und eisfrei geworden, und neue Floren und Faunen sind in das befreite Land eingezogen. Dadurch werden aber alle Erklärungen hinfällig, welche eine allgemeine Abkühlung der Erde als Ursache der geologischen und historischen Klimaänderungen annehmen wollen. Denn es war leicht zu erweisen, weshalb die Erde kälter geworden, aber bisher ist keine allgemein angenommene Erklärung dafür gefunden worden, weshalb sie wieder wärmer geworden ist.
Aber auch für geschichtliche Zeiten Klimaveränderungen anzunehmen, war man von jeher sehr geneigt. Es besteht ohne Zweifel sogar ein gewisser psychologisch begründeter Trieb zu einem schiefen Urtheil in dieser Richtung. Die Zahl selbst hochgebildeter Menschen ist nicht gering, die unerschütterlich davon überzeugt sind, daß in ihrer Jugend das Wetter viel schöner gewesen sei. Es gibt keinen Frühling mehr! Meteorologische Zahlen können solche Ueberzeugungen, welche eine feste subjective Empfindung zur Grundlage haben, ebenso wenig erschüttern, als gegentheilige Erfahrungen. Es fehlt aber auch nicht an ernsthafteren Anhaltspunkten. Die eindrucksvollste Gruppe von Thatsachen scheint im Mittelmeergebiete und besonders in dessen südlichen Grenzländern vorzuliegen. Daß seit der antiken Zeit eine sehr weitgehende Veränderung im Pflanzenkleide Italiens, Griechenlands und der Inseln stattgefunden hat, unterliegt keinem Zweifel. Italien war vor zweitausend Jahren den mitteleuropäischen Ländern viel ähnlicher, als es jetzt ist; waldreicher, also feuchter, mit nordischeren Pflanzenarten besetzt, also kühler. Aber man kann auch umgekehrt schließen und sagen: da man den Wald abgetrieben hat, so sind die Länder trockener und wärmer geworden. Und dieser Schluß ist nicht bloß für Italien, sondern auch für Deutschland gerechtfertigt. Denn auch das heutige Deutschland ist im Vergleich mit der taciteischen Schilderung ein trockenes und waldarmes Land. Es scheint aber, daß der erwähnte Schluß auch in der zweiten Form nur mit großen Einschränkungen gerechtfertigt ist. Die menschliche Hand hat das äußere Ansehen des Landes umgestaltet, aber eine wirkliche Aenderung der klimatischen Factoren, Wärme und Feuchtigkeit, braucht man weder als Ursache, noch als Folge anzunehmen. Die Art der Wasserabfuhr wird sich vielleicht geändert haben. Im entwaldeten Land lausen die Wasser rascher ab als im bewaldeten; die Bäche werden sich leicht in Torrenten und Fiumaren verwandeln; die Hochwasser werden