Ueber Klimaschwankungen.
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Mehrung der Niederschläge und Abnahme der Wärme wird sofort in gleichem Sinne merkbar, ja die Wirkung verdoppelt sich gewissermaßen. Eine vermehrte Wasserzufuhr wurde nämlich eine verstärkte Verdunstung erfordern; da aber eine Zunahme des Regenwetters gleichzeitig mit einer Verkürzung des Sonnenscheins verbunden ist, so wird die Verdunstung geringer, anstatt größer. Der Seespiegel muß also schon bei geringen Klimaänderungen ganz wesentlich steigen. Es ist nun, wie es scheint, Partsch gelungen, mit Hülfe eines französischen Nivellements nachzuweisen, daß einer jener Schotts oder abflußlosen Salzseen, welche sich im Süden von Tunis befinden, in der römischen Zeit einen höheren Wasserstand nicht gehabt haben kann, als gegenwärtig. Die bekannten Versuche des französischen Osficiers Roudaire, die Schotts mit dem Meere in Verbindung zu setzen, haben zu einer so genauen Ausnahme dieser Gegenden geführt, daß man die Höhenlage antiker Ruinen und die alte Wasserhöhe genau bestimmen konnte.
Es muß also die Frage der Klimaänderungen der Mittelmeerländer seit der antiken Zeit als eine noch ungelöste betrachtet werden; von einem sicheren Nachweis zum mindesten ist keine Rede. Die Mittelmeerländer sind aber das einzige Gebiet der Erde, über welches wir geschichtliche Quellen besitzen, die mehr als nur einige Jahrhunderte zurückgreisen; ebenso sollen sich durch die Menge der antiken Bauwerke und Culturanlagen Auskünfte über unsere Frage erhoffen lassen. Trotzdem also über alle anderen Theile der Welt unsere Kenntniß nur sehr kurze Zeiträume umfaßt, und meteorologische Aufzeichnungen in ausreichender Menge kaum ein paar Menschenalter weit zurückreichen, so hat man doch auch aus diesem beschränkten Material, ja aus den Erfahrungen der jetzt lebenden Generation Veränderungen des Klimas in den verschiedensten Ländern Nachweisen Wollen.
Am meisten Aufsehen hat in dieser Richtung ohne Zweifel die Behauptung gemacht, welche Anfang der siebziger Jahre von vielen Seiten aufgestellt wurde, daß der Wasserstand der meisten mitteleuropäischen Flüsse in starkem Abnehmen begriffen sei. Schon sei die Binnenschiffahrt und die technische Verwendung der Wasserkräfte ernstlich gefährdet. Wissenschaftliche Kongresse und Versammlungen, selbst die Parlamente beschäftigten sich mit der Frage; denn man war auch hierauf jene Erklärung verfallen, welche, wie es scheint, stets am nächsten liegt, nämlich die fortschreitende Entwaldung, und verlangte einen ausgiebigeren Waldschutz durch das Gesetz. Aber man konnte doch auch hier zu keiner allgemeinen Uebereinstimmung gelangen. Technische Autoritäten leugneten die Brauchbarkeit der verwendeten Daten, und wiesen nach, daß man es nicht mit einer Wasserabnahme, sondern mit einer Tieferlegung der Flüsse zu thun habe; der Einfluß des Waldes blieb, wie erwähnt, zweifelhaft, und schließlich verstummte der Streit, Wohl hauptsächlich deshalb, weil auch die Klagen über die Wasserabnahme der Flüsse verstummt waren. Denn es hatte ein weiteres Sinken nicht stattgefunden.
Aehnliche Nachrichten über Aenderungen im Stande der Gewässer, freilich häufig im entgegengesetzten Sinne, verlauteten auch aus anderen Erdtheilen. So nahm der große See von Utah zu; überhaupt sollte im centralen Nordamerika das Klima mit der Verbreitung des Ackerbaues feuchter werden; ebenso in