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Deutsche Rundschau.
Australien. Das Unzutreffende der Erklärung war freilich leicht nachgewiesen; die Thatsache gewisser Veränderungen scheint aber sestzustehen, und ihre Zahl wuchs mit der Ausbreitung des geographischen Horizontes. Damit aber auch die Zahl und die Widersprüche der Erklärungsversuche. Ist doch in neuester Zeit ganz ernsthast der Beweis versucht worden, daß in Australien die Entwaldung eine sehr bedeutende Vermehrung des Niederschlages und der Wasserhöhe der Flüsse herbeigeführt habe. Und während vor einem Menschenalter, als die Seen und Flüsse Australiens sanken, ebenfalls die Entwaldung Schuld haben sollte und der Ruf erscholl: „Schutz dem Walde", so schreibt man jetzt die Zunahme des Wassers ebenfalls der Entwaldung zu, und nun heißt es noch eifriger: „Nieder mit dem Walde!" Und dieser Ruf Wird gewiß mit mehr Eifer befolgt werden als der andere.
Wir stehen also vor der Thatsache, daß zwar eine ziemlich bedeutende Anzahl von Klimaveränderungen behauptet wird, daß eine Auswahl aus ihnen sich wirklich nur aus meteorologischen Gründen wird erklären lassen, nicht durch menschliche Eingriffe allein, daß aber allgemein angenommene Erklärungen noch nicht vorliegen, ja sogar über die wichtigsten Grundfragen, wie den Einstuß des Waldes noch entgegengesetzte Anschauungen ausgesprochen werden. Auch erfolgen die Klimaänderungen nicht überall und jeder Zeit im selben Sinne, sondern häufig im entgegengesetzten.
Dieser letztgenannte Umstand legte den Gedanken nahe, daß man es mit cyklischen Veränderungen zu thun habe. Aber auch hierin war man bisher mit den Erklärungen nicht glücklich gewesen. Besonders die Anknüpfung an den elfjährigen Sonnensteckencyklus, der sich in Nordlichtern und in den magnetischen Kräften deutlich erkennen läßt, wollte durchaus nicht gelingen. Das wird auch leicht begreiflich, wenn man berücksichtigt, daß die einfache Vorfrage noch nicht gelöst ist: ob die reine oder die steckenreiche Sonne mehr Wärme ausstrahlt?
Trotzdem konnte doch eigentlich kein Zweifel sein, daß Wärme und Niederschlagsmengen in einer cyklischen Schwankung begriffen sein müssen, und zwar auch dann, wenn keine meteorologischen Tabellen sie nachzuweisen im Stande sein sollten. Der Beweis hierfür war erbracht durch die Gletscher. Jeder Gletscher ist, ähnlich wie ein abflußloser See, ein sehr empfindlicher Klimaanzeiger. Denn sein Stand muß wechseln je nach der Menge des ihn nährenden Schnees und je nach der Kraft der Wärme, die ihn verzehrt. Es müssen sich also die wechselnden kalten und warmen, nassen und trockenen Jahre in dem wechselnden Stande der Gletscherlänge und Dicke widersviegeln. Die Gletscher gehen daher auch zeitweise vor und wieder zurück, allerdings nicht nach den einzelnen Jahren, sondern in viel längeren Perioden. Der jeweilige Gletscherstand ist nämlich nicht das Ergebniß nur des letzten Jahres, sondern der zusammenwirkenden Eigenheiten einer ganzen Reihe von Jahren, gewissermaßen ein höchst complicirtes, aber sicher berechnetes Mittel aus ihnen. Nun ist bekannt, daß Hoch- und Tiefstände der Gletscher im letzten Jahrhundert in der Weise abgewechselt haben, daß um 1770, 1820 und 1850 die Gletscher groß waren, um 1800, 1830 und seit 1860 klein, während seit 1880 wieder eine Wachsthumsperiode begonnen hat. Außerdem waren noch Hochstände um 1600,