Issue 
(1891) 66
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Politische Rundschau.

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Factoren in der Lage, ohne jede lleberhastung sich einem weiteren Ziele zuzuwenden. Eine sriedliche Entwicklung des deutschen Colonialbesitzes wäre aus diese Weise am Sichersten gewährleistet.

Im Sinne einer friedlichen Entwicklung der inneren Politik darf auch der Ausfall der jüngsten Ersatzwahlen für den französischen Senat gedeutet werden. Diese am 4. Januar vollzogenen Wahlen haben zu einem glänzenden Siege der Republikaner geführt, die nicht bloß ihren bisherigen Besitzstand behaupteten, sondern zehn neue Mandate gewannen, so daß die republikanische Mehrheit dieser parlamentarischen Körper­schaft aus 240 Mitgliedern, die Minderheit aus fünfundfünszig Parteigängern der Monarchie besteht, während fünf durch den Tod ihrer Inhaber erledigte Mandate noch zu besetzen bleiben. Im Ganzen fanden diesmal achtzig Wahlen statt, von denen vierundsiebzig zu Gunsten der Republikaner ausgefallen sind. Die Erneuerung des Senates findet in der Weise statt, daß alle drei Jahre, abgesehen von den bei der Constituirung dieser Körper­schaft auf Lebenszeit gewählten Mitgliedern, ein Drittel ansfcheidet, für welches dann ebenso wie für anderweitig vacant gewordene Sitze Ersatzwahlen stattfinden. Können aber die Republikaner mit Recht einen glänzenden Sieg behaupten, so darf doch nicht über­sehen werden, daß der Wahlmodus für den Senat von demjenigen für die Deputirten- kammer wesentlich verschieden ist. Wird letztere auf der Grundlage des allgemeinen Stimmrechts gewählt, so gilt für den Senat ein ziemlich verwickeltes System; der Wahlkörper besteht nämlich für jedes Departement aus den Deputaten desselben, aus den Mitgliedern der General- und Arrondissementsräthe, sowie aus den Delegirten der Gemeinderäthe. Früher entsendete jede Gemeinde, mochte es nun die Hauptstadt selbst oder die kleinste französische Commune fein, einen einzigen Delegirten in den Wahl­körper ihres Departements; seither wurde jedoch durch Abänderung des ursprünglichen Gesetzes insofern ein Ausgleich erzielt, als den einzelnen Gemeinden eine ihrer Größe entsprechende Anzahl von Vertretern gewährt worden ist. Diese Delegirten bilden denn auch bei den Wahlen für den Senat die entscheidende Stimmenmehrheit, so daß in den meisten Fällen die Deputirten und die Mitglieder der Generalräthe nur einen moralischen Einfluß ausüben. Bemerkenswerth ist, daß bei den jüngst vollzogenen Senatswahlen nicht weniger als elf bisherige Deputirte sich um ein Mandat für die andere Kammer bewarben. Der Grund dieses Verhaltens leuchtet jedoch ohne Weiteres ein, wenn erwogen wird, daß die Senatoren im Gegensätze zu den Deputirten, die nur aus vier Jahre gewählt, mit einem neun Jahre währenden Mandate betraut werden. Ebenso muß in Betracht gezogen werden, daß die Erlangung oder Wiedererlangung eines Deputirtenmandates in Frankreich recht kostspielig ist; das allgenieine Stimmrecht setzt eine lebhafte Agitation voraus, bei der häufig nicht bloß die lautersten Mittel zur Anwendung gelangen. Andererseits ist der Wahlkörper für den Senat, wie verwickelt auch die Zusammensetzung selbst fein mag, in Bezug aus die Zahl der Mitglieder viel mehr beschränkt; auch sind die Elemente dieses Wahl­körpers durch ihre Stellung einer gewissen Agitation minder zugänglich.

Trotz allen Verschiedenheiten zwischen dem Senate und der Deputirtenkammer spiegeln aber auch die Ersatzwahlen für die erstere Körperschaft die innerhalb der französischen Bevölkerung herrschende Strömung wider, die eben unzweifelhaft eine den republikanischen Einrichtungen durchaus günstige ist. Die abenteuerliche Politik Boulanger's und seiner Myrmidonen, die den kläglichsten Schiffbruch gelitten hat, trug sicherlich am Meisten dazu bei, schwankende Elemente für die republikanischen Ein­richtungen zu gewinnen, während andererseits die Haltlosigkeit der royalistischen und imperialistischenThronprätendenten" deren Aussichten auf Wiederherstellung der Monarchie in immer weitere Ferne rückte.

Von den Seuatswahlen selbst erregen diejenigen des Conseilpräsidenten und Kriegs­ministers de Freycinet im Seinedspartement und diejenige Jules Ferrtffs im Vogesen- däpartement ein besonderes Interesse. Wie Freycinet kurz vor den Wahlen in einer Ansprache leicht die chauvinistische Note anklingen ließ, wobei man jedoch im Zweifel sein konnte, ob er in seiner Eigenschaft als Conseilpräsident oder als Kriegsminister