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Deutsche Rundschau.
dazu beigetragen hat, das Ansehen des Papstthums innerhalb der ihm gezogenen Grenzen zu erhöhen. So braucht nur an den Schiedsspruch des Papstes zwischen Deutschland und Spanien in der Carolinen-Angelegenheit erinnert zu werden, einen Vorgang, der nicht ohne Nachahmung geblieben ist, da Leo XIII. unlängst auch be- rusen worden ist, die zwischen dem unabhängigen Kongostaate und Portugal bestehende Differenz durch Schiedsspruch zu schlichten. Eine derartige versöhnliche Mission ist jedenfalls des Papstthums würdiger als die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates, mag diese auch nur in so mittelbarer Weise erfolgen, wie in der Angelegenheit des Superior der französischen Nationalkirche in Rom, San Luigi dei Francesi, Abbö Pujol. Dieser wurde jüngst von der französischen Regierung abberufen, weil er seinem Interesse für einige Priester der Diöcese Bayonne, die wegen demonstrativer, ungesetzlicher Agitation für die politischen Wahlen in Frankreich gemaßregelt worden waren, einen allzu lebhaften Ausdruck gegeben hatte. Da der Bischof der Diöcese Bayonne selbst die Ungesetzlichkeit des Verhaltens der ihm untergebenen Priester anerkannt und durch Strafversetzung geahndet hatte, mußte es um so mehr überraschen, als Papst Leo XIII. ihnen Ehrentitel verlieh, als ob er die Einmischung der Priester in die politischen Angelegenheiten indirect billigte. Es fehlte denn auch nicht an Stimmen, die nachdrücklich betonten, daß der Papst nunmehr beide Parteien in Frankreich verletzt habe: die Republikaner, indem er die von ihrem eigenen Bischöfe des- avouirten Priester auszeichnete, die Monarchisten, indem er dem Cardinal Lavigerie beipflichtete, der feinen Anschluß an die Republik in so überraschender Weise angekündigt hatte. Es empfiehlt sich aber, auf diese Vorgänge als nicht zu unterschätzende Symptome hinzuweisen, wäre es auch nur, um die Gefahr zu betonen, die in der Ernennung des nach der Tiara strebenden Kardinals Lavigerie zum Nachfolger Lechs XIII. liegen würde.
Wenn die Parteigänger dieses Kardinals insbesondere dessen Verdienste in der Antifclaverei-Bewegung rühmen, so liegt darin ein Grund mehr, ihn diesen Bestrebungen zu erhalten. Allerdings werden auch diese besser durch die Ausführung der Beschlüsse der Brüsseler Antisclaverei-Conferenz gefördert werden. Eine Zeitlang drohte das Werk der letzteren vollständig zu scheitern, da die niederländische Regierung ihre Unterschrift verweigerte, während die Generalakte behufs ihrer Rechtsgültigkert von allen Mächten unterzeichnet werden mußte, die an der Berliner Kongoconferenz theil- genommen hatten. Der Widerspruch der Niederlande war nicht etwa durch die auf Beseitigung des Sclavenhandels abzielenden Beschlüsse der Brüsseler Konferenz begründet, sondern durch die Zusatzbestimmungen, nach denen die Staaten des Kongobeckens berechtigt fein sollen, Eingangszölle zu erheben. Es handelte sich also keineswegs nur darum, daß der unabhängige Kongostaat mit dieser Befugniß ausgestattet werde, während allerdings als gewiß gelten mußte, daß die Existenzbedingungen gerade dieses mit Verwaltungskosten aller Art belasteten Staates die Festsetzung von Eingangszöllen nothwendig machten. Als die niederländische Regierung nach dem Abschlüsse der Arbeiten der Brüsseler Conserenz die Unterschrift verweigerte, wurde ihr eine Frist gewährt, vor deren Ablauf dann gewissermaßen im letzten Augenblicke das Versäumte nachgeholt worden ist. Immerhin muß anerkannt werden, daß das Verhalten der niederländischen Regierung durchaus korrekt war, da die von der Berliner Kongoconferenz angenommene Generalakte ausdrücklich die Freiheit der Schiffahrt und des Handels im Kongogebiete festgesetzt hatte. Um so erfreulicher ist daher die Zustimmung aller betheiligten Staaten zu den späteren Beschlüssen der Brüsseler Konferenz, weil dadurch erhärtet wird, in wie hohem Maße das humane Ziel, den Sclavenhandel und die Sclaverei zu beseitigen, bei allen Culturstaaten Anerkennung und opferwillige Unterstützung findet.