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Deutsche Rundschau.
Magnolien und Orangen duften, Lorbeer und Pinien rauschen.
Doch allmächtig über dieser Stimmen Chor Schwingt das Lied der Lieder sich empor,
Schwebet jauchzend, schmetternd, schmelzend, klagend In verzückten Tönen Alles, Alles sagend,
Was empfunden je nur Menschenbrust und All:
Dein, dein Hochgesang, holdsel'ge Nachtigall!
Bis Alles sich wieder in dem Namen „Adriana!" verliert, den jetzt nur noch das Echo zurückgibt. Ergreifend klingt dieser Geisterlaut, wie wenn die Menschenfeele Zwiefprach halte mit den unsichtbaren Mächten, durch die beiden Strophen, welche, „Herzeleid" überschrieben, sehr lange bevor sie hier in der Sammlung erschienen, Robert Schumann bekannt geworden und von ihm in Musik gesetzt worden sind:
Die Weiden lassen matt die Zweige hangen Und traurig ziehn die Wasser hin:
Sie schaute trüb' hinab mit bleichen Wangen,
Die unglückselige Träumerin.
Und ihr entfiel ein Strauß von Immortellen —
Er war so schwer von Thränen ja —
Und leise warnend lispelten die Wellen:
Ophelia! Ophelia!
Die Mehrzahl der Gedichte sind von jener Gattung, die man als lyrisch-epische bezeichnet: womit nicht immer gesagt fein soll, daß der Dichter persönlich redend in den Bericht über einen Vorgang eingreife, sondern, daß er den Fortgang der Handlung unterbricht, um in ähnlicher Situation Erlebtes einzuflechten, Selbst- empfundnes auszumalen oder Betrachtungen anzustellen, zu welchen der Gegenstand ihn anregt. Unsrem Dichter schwebte das Ideal der poetischen Erzählung vor, in welchem er zugleich „das Lied, das ewig ungefungene", wiederfände,
Das jeder Dichter ahnt, an das er glaubt, wie er in dem einleitenden Gedicht „Uranio" so schön sagt,
Und das zu singen, Keiner je vermochte,
Wie er sogleich hinzufügt.
Er, seinem „Uranio" gleich, „belauschte der Natur beredtes Schweigen," und spricht von einer „Ekstase der Natur, der hehren Heiligen"; aber dieses Lied, das Lied seiner Sehnsucht, vermag auch er, Uranio, nicht zu singen — und ist doch ein Florentiner, ein herrlicher Jüngling der Arnostadt zur schönen Zeit der Renaissance — „Pan lebt!"
Hellenenweisheit schlägt das große, blaue
Minervenauge wieder auf und lehret
Mit holdem Ernst die heitr'e Kunst des Lebens —
Dem modernen Dichter erscheint das „weltlich-heilige Brevier" in den Händen eines sterbenden Mönches —
Geführte, Freund auf allen Gängen,
Urvater, mild zumal und hehr —
Ja Du, Du bist es, mein Homer ....
und Von den Höhen des Alpenpasses schaut er hinüber:
Auf jenen Gipfeln ruht der blaue Saum Des Zauberschleiers, den Hesperien läßt Vom Haupte wallen wie zu ew'gem Fest.
Es mag auffallen, daß in dieser Sammlung, wenn man sie mit den beiden Jugendepen Titus Ullrich's vergleicht, kaum einer von den Tönen nachhallt, die dort so mächtig angeschlagen worden. Die Begebenheiten einer großen Zeit, die doch gewissermaßen das Thema feiner ersten Gesänge gewesen, sind in diesen Gedichten nur einmal und wie von Weitem berührt, wo dem Schwerte Eatons, dem Mord-