Issue 
(1891) 66
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Literatur und Kunst.

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zugetheilt, so daß es entweder durch ungeheure Formgebung, oder durch ausfallende Be­wegung die Aufmerksamkeit vom Kaiser selbst ableukt.

Es soll auch aus diesen Umstand übrigens nur hingewiesen werden, ohne daß wir loben oder tadeln möchten. Die Lust des Publicums an Pferden mit Circus­stellungen scheint eine weitverbreitete zu sein. Dauern wird sie nicht, denn die Selbst­kritik der Völker ist zu stark heute, um solchen Jrrthümern lange Lebenszeit zu ge­währen. Die lebhafte Bewegung des Pferdes tritt auch in den Reiterstatuen Victor Emanuells hervor, welche das dankbare Italien dem Könige errichtet. Sie scheint in den alten Kaiserzeiten allgemein geherrscht zu haben und hat auch ihre besondere symbolische Bedeutung. Falconells Peter der Große sprengt aus einem galoppirenden Pferde dahin, und Napoleon verlangte von David, er solle ihn ruhig und kalt aus einem sich bäumenden Pferde darstellen. In beiden Fällen haben wir Herrscher vor Augen, die mit kühlsinniger Gewalt widerspenstige Völker zu Dienst und Gehorsam zwängten. Kaiser Wilhelm I. stand seinem Volke anders gegenüber.

Bei Rauch's Friedrich dem Großen ist zugleich mit der Abnahme der Herrschergestalt des Königs das Piedestal gewachsen, so daß das ganze Denkmal weniger nun dem Könige allein, als seiner Epoche zu gelten scheint. Nicht zum Vortheile Friedrichs. Mehr und mehr ist dieser nun mit Costümtheilen belastet worden, die, als charakteristische, aber vergängliche Merkmale seiner Zeit, ihn den das Fußgestell so lebendig umgebenden Gestalten näher bringen, als seine einsame Größe erlaubt. Ein Herrscher ist einsam. Alll diese Gestalten haben ihn doch nur umgeben. Der Gedanke, daß Friedrichs un­geheuere geistige Uebermacht all? das doch allein geschaffen hatte, hat in Rauches letzter Auffassung an Repräsentation bedeutend eingebüßt.

Man vergleiche Schlüters Großen Kurfürsten: mit welcher fast schon kaiserlichen Ruhe dieser gelinden Schrittes feinen Weg verfolgt.

Geselschap.

3. Friedrich Geselschap und seine Wandgemälde in der Ruhmeshalle. Von Lionel von Donop. Mit fünf Abbildungen. Berlin. R. Wagner. 1890.

Wir zeigen diese inhaltreiche, sorgfältig verfaßte Schrift nur mit wenigen Worten an, weil unsere Absicht ist, dem großartigen Werke GeselschasLs eine besondere Be­sprechung zu widmen. H. v. Donop würdigt die Zeughausmalereien in beredter Sprache und erkennt in ihnen mit Recht das Größte, das in unserer Zeit an monu­mentaler Malerei geleistet worden ist. Irren wir nicht, so wird unser Publicum, das, weil ihm das Gefühl für diese Auffassung der Ereignisse, fast möchten wir sagen, systematisch ausgetrieben worden ist, Geselschap's Werken gegenüber sich etwas fremd verhält, ihnen in besserem Verständnisse bald näher treten. Die vor dreißig Jahren so frisch und hoffnungsreich eintretenden Verehrer der reinen Natur haben (nicht bloß bei uns) den Beweis geliefert, daß ihrereale Wirklichkeit" nur die Wiederholung längst abgethaner Rococosormen darbiete. Mit der Erschöpfung dieser Muster ist auch ihre eigene Erfindungskraft erschöpft worden. Das ungeheure Weltpublicum, dessen Bildung heute begonnen hat, wird sich auch im Bereiche der bildenden Künste dem Genüsse dessen zuwenden, was als das Wahre und Schöne allein zur ästhe­tischen Herrschaft berufen ist.

Geselschap hat, wie der Fortgang dieser Kompositionen zeigt, in den Zeughaus­gemälden sein letztes Wort nicht gesprochen, sondern nur die erste Hälfte einer Laufbahn beobachten wir hier, die den Künstler zu immer höherer Bethätigung seiner- genialen Kraft leiten wird. Deutschland darf stolz auf ihn sein.

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