318
Deutsche Rundschau.
König Maximilian II. von Bayern und Schelling. Briefwechsel, herausgegeben von I)r. L. Trost und Or. Friedrich Leist. Stuttgart, I. G. Cotta'sche Buchhandlung (Nachfolger). 1890.
Die beiden Männer, welche im Titel des Werkes genannt find, beschäftigen fich mit der Durcharbeitung des schriftlichen Nachlasses des Königs Maximilian II. Sie beabsichtigen schließlich ein Gesammtbild dieses Königs zu geben, wollen aber bei der ungemeinen Fülle des Stoffes diesem Gesammtbilde einige Sonderschriften vorausgehen lassen, von welchen hier die erste vorliegt. Der Briefwechsel zwischen dem König, bezw. Kronprinzen und dem Philosophen beginnt am 27. Juli 1836 und endigt am 21. Mai 1854, umspannt also eine Zeit von achtzehn Jahren. Schelling war der Lehrer des Kronprinzen in der Philosophie; und da Maximilian sich nicht an der Erkenntnis) des Einzelnen genügen ließ, sondern „nach einem höheren Standpunkte suchte, von welchem in den organischen Zusammenhang des Gesammtgebiets des menschlichen Erkennens ein Tiefblick möglich wird", so läßt sich leicht ermessen, daß Schel- ling's großartige Gedankenwelt den reich begabten Schüler gänzlich in ihre Kreise zog; der gewaltige Denker hat einen eifrigeren, begeisterteren Schüler überhaupt nicht gehabt, als eben Maximilian. Im Jahre 1841 siedelte Schelling zum größten Schmerz des Kronprinzen nach Berlin über; von da ab wird aber der Briefwechsel erst recht bedeutsam, weil Maximilian sich in fast Allem, was sein Herz bewegt, dem geliebten Lehrer und Berather mittheilt. Er thut das nicht bloß in Bezug auf philosophische Fragen; auch die Regierungsthätigkeit des Königs und die Politik bilden den Inhalt des Briefwechsels. Man erwärmt sich ebenso für den hochherzigen Fürsten, dessen milde Denkart, dessen Pflichttreue, dessen Streben nach Wahrheit glänzend hervortreten, als für den großen Philosophen, welcher sein Bestes thut, um das ihn: entgegengebrachte Vertrauen zu rechtfertigen. Wenn wir ein paar Züge hervorheben dürfen, so strebte Maximilian darnach, durch „ausgedehnte, möglichst umfassende Wohlthätigkeit" Segen zu stiften, nachdem sein Vater sich die „mächtige Förderung der Kunst" zur Aufgabe gesetzt hatte. Der schroffe Gegensatz zwischen Katholicismus und Protestantismus war dem Prinzen sehr unerwünscht; er regte am 10. Februar 1844 den Gedanken an, ob man nicht ein Blatt gründen könnte, worin Gelehrte und gemäßigte Protestanten einer Annäherung an den Protestantismus das Wort reden sollten; erlebe er das Ziel nicht, so werde er schon zufrieden sein, das kleinste Samenkörnlein dazu ausgestreut zu haben. Auch die menschliche Seite kommt in dem Briefwechsel nicht zu kurz: besonders wohlthuend berührt die Wärme, mit welcher der Prinz von seiner Braut Marie, Prinzessin von Preußen, und von seinem ehelichen Glück spricht; „täglich dankt er dem Herrn, daß er ihm ein so himmlisches Wesen geschenkt hat" (1. April 1843), und wenn er am Schluß der Briefe grüßt, so fehlt „ein Gruß von meiner Marie" niemals.
)/. Im8 ätzrnitzi'68 riiiutz68 clu Itoi 6llr»1«8
Ulreil. Uar la marguis Costa clo Laau-
reZarck. Uaris, L. Ulon, I^sourrit 6t Oomp.
1890.
Eine der Tragödien unseres Jahrhunderts wird in diesem Buche erzählt, das „dem Größten unter den Verkannten" gewidmet ist. Der Verfasser macht kein Hehl daraus, daß Karl Albert der Wohlthäter all der Seinigen war und daß er mit ganzer Seele an dem König hängt. Der Geschichte wirft er vor, daß sie sich bloß über ^
die Thatsachen ausspricht, ohne sich um die Psychologie zu kümmern: diesen Mangel will er ergänzen und zeigen, wie über Karl Albert's Seele die schwarzen Schatten sich breiteten, die Unentschlossenheit, die Bedenklichkeit, der Wechsel von Sicherheit und Zweifel, wodurch er „zu einem Hamlet ward, dessen Träumerei durch die königliche Würde nur noch düsterer wurde".
Welch ein Gegensatz in der That zwischen dem Fürsten, welcher, als der erste Carignan im Purpur, 1831 den Thron von Sardinien besteigt, den Royalisten als Revolutionär geltend, den Revolutionären als Verräther, dem Herzog von Modena und seinen Getreuen als Kronenräuber ; der dann, ohne in seinem Lande wirklichen Anhang zu haben, bewundernswerthe Finanzen schafft, das Heer umgestaltet und das Land blühen macht: und jenem König, welcher später, zu einer ungeheueren Aufgabe berufen, sich ihr nicht gewachsen zeigt und über ihrer Lösung zusammenbricht! Der Pessimismus, sagt Costa, hatte dem Brande gleich seine un- *
verlöschlichen Flecke auf seiner Seele verbreitet und zerstörte deren Gewebe dermaßen, daß sie nur unter dem Druck des Unbewußten zu handeln schien, das, wie man sagt, an Stelle des Willens sich setzt und die freie Wahl beherrscht.
Mit diesem pessimistischen Zug verband sich seltsamer Weise der religiöse, welcher doch sonst dem ersteren entgegengesetzt ist. Der König glaubte nicht an das Glück, er glaubte nur an die Existenz des Bösen in der Welt; und doch erschien ihm die Vernichtung nicht etwa als eine Erlösung. Nachdem er so auch mit den Menschen und Dingen zusammengestoßen war, empfand er im Gegentheil ein wahres Heimweh nach dem ewigen Leben, wo es keine Undankbarkeit, keine Ränke, keine Verbrechen mehr geben werde. In höchstem Grade erstaunlich ist, was Costa in Bestätigung anderer Berichte auf Grund vertrautester Mittheilungen über das persönliche Leben des Königs erzählt, welcher ein förmlich asketisches Wesen hatte, sich zu gewissen Zeiten nur durch körperliche Leiden vom Druck des geistigen Schmerzes befreien konnte und dann das Büßerhemde umlegte und seine '
Schultern mit Blut besudelte; jeden Morgen stand er um fünf Uhr aus seinem niedrigen Feldbette auf und verbrachte knieend vor dem Crucifix eine Stunde. „Wenn er betete, so war sein Gesicht so schmerzzerrissen, daß nur der betende Christus noch trauriger aussah; es war, wie wenn sie die Dornenkronen vertauscht hätten." Nach diesen Aufklärungen wird freilich so manches an dem „re tsntönna" verständlich, was bisher räthselhast war, so manches entschuldigt, worüber man bis jetzt den Stab