Issue 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

ins Gegentheil um. Langsam und mühselig brachte er zur Erscheinung, w seiner Phantasie lebte. Bei den Proben zurVestalin" wurde dieser sel Werdeproceß zuerst offenbar. Sie veranlaßten ihn zu einem unermüd Aendern und Umgestalten, bis ost erst nach vielen Versuchen und quab Anstrengungen die wirksamste Form gesunden schien. Dies Experimei und Feilen ist ihm eigenthümlich geblieben, ja, es nahm bei jedem neuen ' zu. In Berlin leben noch jetzt Persönlichkeiten, Welche Spontini in Thätigkeit beobachtet haben. Vier-, sünfmal wurde eine und dieselbe Stell geändert und in der Partitur überklebt, so daß sie dick und hoch von Ai wurde, und nicht selten kam es vor, daß der Componist zum Beschluß dei suche aus die anfängliche Form zurückgeführt wurde. Zelter hatte eine ganz unrichtige Empfindung, wenn er immer noch übertreibend gem behauptete, aus dem Componisten derVestalin" werde nie etwas Orden werden, wenn er bei der Composition dieser Oper über fünfundzwanzig alt gewesen sei. Einen Theil der Kunstmittel, durch welche Spontini 1 sächlich wirken wollte, hat er nicht früh genug und daher niemals volls beherrschen gelernt. Die langsame, peinliche Art zu arbeiten erklärt sich aus dem Gefühl einer gewissen Unsicherheit, so sehr sie andererseits seiner lerischen Gewissenhaftigkeit zur Ehre gereicht.

Mit derVestalin" war Spontini in die Reihe der ersten Operncompi seiner Zeit getreten. Seinen neuen Stil hatte er nicht allein aus sich 1 geschaffen. Daß er sich Mozart's Einwirkung nicht verschlossen hatte, Wirt in seiner vorfranzösischen Periode ersichtlich. Durchgreifender noch wur Einfluß Gluck's, dessen Werke er in Paris kennen lernte. Es sollJphigc Aulis" gewesen sein, deren erstmaliges Anhören ihm seinen Weg zeigte, daß ihm Gluck ein größerer Meister erschienen wäre als Mozart. Als einmal in Berlin Jemand ihn als denjenigen Componisten feiern wollte, d Erfordernisse eines musikalisch-dramatischen Meisterwerkes in seinen Opern habe, entgegnete er rasch:Nein, nur Einer hat das wirklich vermocht, Mi Aber offenbar war ihm das Wesen Gluck's verwandter. Er theilt mit i) stolze Größe; sie erscheint bei Spontini manchmal durch eine edle Mela besonders anziehend, wogegen im Allgemeinen die Tiefe Gluck'schen Emsp dem Italiener fehlt. Wie bei Gluck überwiegt auch bei Spontini das ! tische Talent über das musikalische. Er wird dadurch zu einer merkwi Erscheinung unter den italienischen Componisten, die zwar alle einen 1 Jnstinct für dasjenige haben, was auf dem Theater wirksam ist, aber do der Bühne herab gern undramatische Musik machen. Bei allen Mängel derVestalin" augenscheinlich anhafteten, mußte doch von Anfang her am Werden, daß sie eine Menge origineller Schönheiten enthalte, durch Melodien und ungestümes Feuer, durch wahren Ausdruck tiefer Leidens und echt tragischen Stil, durch glückliche Charakteristik der Persone Situationen den Hörer ergreife.

DerVestalin" war am 28. November 1809Fernand Cortez" eine Oper, mit welcher Spontini bewies, daß er sich auf der im Stu nommenen Höhe zu behaupten verstand. Alles sorgfältig erwogen, ist