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Deutsche Rundschau.
Sforzando, um Tobte zu erwecken," sagt Dorn. Er trieb Spieler und Säug« nach dieser Richtung bis aufs Aeußerste. Man erzählt sich noch jetzt in dl Berliner Capelle, wie er einmal eine gewisse Baßpassage in einer seiner Oper durchaus nicht stark genug bekommen konnte. Immer und immer ließ er Wiede holen, die Spieler gaben das Aeußerste her, was sie an Ton in ihren Instrumente an Kraft in ihren Armen hatten; es genügte nicht. Endlich kamen die Violrv cellisten auf die Idee, die Baßpassagen sämmtlich mitzusingen. Spontini, d das Kunstmittelchen nicht merkte, war überrascht durch den jetzt sich ergebend! sonoren Klang und nun völlig befriedigt. Den Ausruf „Cassander!", welch Statira im ersten Act der „Olympia" dem vermeintlichen Mörder ihres Gatt entgegenschleudert, mußte die Milder stets mit dem höchsten Aufgebot der Krc singen. Sie hatte sich einmal dabei so angestrengt, daß ihr für das Folgen die Stimme gänzlich versagte. Seit der Zeit hielt sie Spontini für unbrauchb und setzte im Jahre 1829 ihre Pensionirung durch. Weil die Seidler-Wranitz von zarter Gesundheit und mehr für den lieblichen und innigen Gesang geeigr war, fand sie trotz ihrer eminenten Gesangskunst vor Spontini's Augen wer Gnade. „II kaut braver, Uaäame!" rief er ihr zu, als sie in einer Probe ! „Vestalin" unter den ihr zugemutheten Anstrengungen zu erliegen drohte, u es rührte ihn wenig, als sie endlich ohnmächtig zusammenbrach. Nicht weil unsanglich geschrieben, oder die Singstimmen durch zu starke Begleitung gebe hätte, waren seine Partien so übermäßig anstrengend. Spontini war viel sehr Italiener geblieben, als daß er nicht stets in den Singstimmen die Hau organe für seine Wirkungen gesehen hätte. Der Grund lag eben in jener Neigm die Kontraste bis zur denkbarsten Schärfe zu treiben, und in seiner Rücksichtslos keit beim Einstudiren. Die Klage, daß er die Stimmen ruinire, ward b unter den Sängerinnen allgemein. Die Seidler bat 1826 um ihre Entlassu weil die Opern Spontini's ihrer Gesundheit zum größten Nachtheil gereicht die Milder bat schon 1823, man möge „Olympia" nicht öfter als höchstens alle v zehn Tage geben, sonst übersteige es ihre Kräfte. Die Schechner schlug ein Engagem nach Berlin aus, weil sie sich vor den Anstrengungen der Spontini'schen Op fürchtete. Selbst die dem Meister unbedingt ergebene Schulz gerieth im M 1824 außer sich ob der Rücksichtslosigkeit, mit welcher er sie unaufhörlich den schwersten und größten Rollen anstrenge, und scheint ihm öffentlich in Probe so unverbindliche Dinge gesagt zu haben, daß er sie bestrafen lassen wol doch besann er sich hernach eines Anderen.
Das Bild, welches Spontini bei Aufführungen seiner Werke an der Sü der Capelle gewährte, war ein imposantes. Er glich einem Feldherrn, seine Armee zum Siege führt. Wenn er zum Beginn der Vorstellung rasch leise durchs Orchester zum Dirigentensitz schritt, verhielt sich jedes Orchej Mitglied lautlos in gespannter Erwartung des Anfangs. Der Arm mit Taktirstock hob und streckte sich und ruhte so eine Weile, als sei er in Erz wandelt H. Dann flog der Blick zur letzten Musterung über seine Scha der Arm fiel nieder, und die Töne rauschten auf. Seine Armbewegungen k
*) A. B. Marx, Erinnerungen. Berlin, O. Janke. 1865. 1. Band, S. 220.