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Deutsche Rundschau.
Wesen des Stoffes erscheint sonst dem Charakter des Spontini'schen Talents nicht grade angemessen. Den Text schrieb der Theaterdichter Carl Alexander Herklots. Im März 1822 finden Wir Spontini in voller Arbeit am ersten Acte; er arbeite täglich siebzehn Stunden, schreibt er an Brühl. Zwei Acte hat die Oper nur, und am 27. Mai 1822 konnte zur Feier der Vermählung der Prinzessin Alexandrine von Preußen mit dem Erbgroßherzog von Mecklenburg-Schwerin die erste Aufführung sein. Unter dem Titel „Nurmahal oder das Rosensest von Kaschmir" ist die Oper, im Clavierauszug vom Componisten, bei Schlesinger in Berlin erschienen und der Erbgroßherzogin Alexandrine gewidmet. Die verbreitete Meinung, es sei die Oper „Nnrmahal" nur eine Umarbeitung des Festspiels „Lalla Rookh" ist falsch. Sie ist ein ganz selbständiges Werk, für Welches allerdings einige Stücke des Festspiels benutzt sind. Nämlich der Einleitungsmarsch für Nr. 8 der Oper, die Romanze zum Bild „Die Peri" für Nr. 25. die Romanze der Nurmahal für Nr. 26, ferner der Chor der Traumgenien für Nr. 20 und das Meiste der Balletmusik. Außerdem ist ein Lied aus „1.68 äioux rivanx" und das Ballet zu den „Danaiden" benutzt (Nr. 10 und 14).
Die Texte zur „Vestalin", „Cortez" und „Olympia" litten Wohl an einigen Fehlern, aber ihre Vorzüge überwogen dieselben. Die Dichtung „Nurmahal" aber ist ein gänzlich verfehltes Product. Es ist dem Dichter weder gelungen, eine interessante Handlung zu schaffen, noch für eine der Personen des Dramas unser Interesse zu erwecken. Auch hat er auf die nächste Bestimmung dieser Oper, einer Hosfestlichkeit zu dienen, in zu ausgedehntem Maße Rücksicht genommen, und ihr dadurch in störender Weise den Charakter eines Gelegenheitsstückes ausgeprägt. Was Spontini an dem Stoffe gereizt hat, kann nur der orientalische Localton gewesen sein, der seiner Kunst eine neue Aufgabe stellte. Unter diesem Gesichtspunkte ist „Nurmahal" eine interessante Erscheinung. Wenn es im Allgemeinen weder den Italienern noch den Franzosen gegeben ist, für das Phantastische und Märchenhafte die entsprechende musikalische Weise zu finden, und wenn auch Spontini in der „Nurmahal" weit hinter Weber's „Oberon" zurück bleibt, so zeugt doch dasjenige, was er hier geleistet hat, immerhin von der Kraft seines dramatischen Talentes und von der Energie seines Strebens. Die besten Stücke sind Wohl das erste Finale, das Duett Nr. 17 und das Duett mit Chor Nr. 20. In dem Finale ist die Stelle, wo zwischen den entzweiten, getrennt auf beiden Seiten der Bühne ruhenden Liebenden das Volk mit bacchantischem Jauchzen seinen Reigen schlingt, dann allmälig verstummt und zu tanzen aushört, während die Klagetöne jener auf der Septime ck-o wie in ungestillter Sehnsucht weiter klingen, ganz ergreifend und von wahrer Genialität. Der beste deutsche Romantiker brauchte sich ihrer nicht zu schämen. Das Duett Nr. 17 hat einige phrasenhafte Gedanken, reißt aber als Ganzes hin durch seinen leidenschaftlichen Ungestüm. Eine Empfindnngsart, die in der deutschen Oper zuerst bei Marschner auftritt, z. B. in dem Duett Nr. 17 von „Templer und Jüdin", hat sich Wohl an diesem Spontini'schen Vorbilde entzündet. Der Geisterchor Nr. 20 ist Von zauberischer Klangwirkung und in der Verwendung der Kunstmittel etwas ganz Neues. Im Vergleich zu Weber's Tonbildern dieser Art bleibt aber die Wirkung doch mehr eine äußerliche. Auf Weber den Blick zu werfen, liegt