Issue 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

Verpflichtung übernommen hatte, die er bei seiner pedantischen Art zu componiren, nicht erfüllen konnte. Aus Brühl's Ermahnung hin faßte er (2. August 1823) zuerst den Plan, denMilton" umzuarbeiten zu einer großen Oper in zwei Acten mit Recitativen, Chören und Ballets. Bald daraus verwarf er den Plan wieder, und am 17. October ist er, wie er schreibt, Tag und Nacht beschäftigt mit der Composition der OperAlcidor." Die Dichtung verfaßte Theauleon in Paris, Welcher, wie erzählt worden ist, auch die Umarbeitung des Schlusses desCortez" besorgte. Im November 1823 war Theauleon in Berlin anwesend, um sich mit Spontini über die Oper ausführlich zu besprechen. Da Spontini die Composition auf eigne Faust begonnen und die erste Scene schon componirt hatte, so war es für den Dichter kein Leichtes, seine Worte der Musik anzupassen.Hatte ich einen Vers von zehn Silben gedichtet," erzählt er,so brauchte er grade einen von fünf. Kaum War nun dieser arme Vers ausgekrochen, als ich ihn bis zu zwölf, ja fünfzehn Silben verlängern mußte, und wenn ich dem Tonsetzer be- merklich machte, daß so viele Silben in unserer Dichtkunst gar nicht üblich Wären, antwortete er mir, indem er sich mit dem Pianosorte accompagnirte, ja fast im Opern-Recitativ: ,Die Uebersetzung deckt Alles zu'. Noch nie hat ein so mittelmäßiges Gedicht seinen Verfasser mehr Mühe gekostet" H. Spontini com- ponirte also zu französischem Text, Herklots machte hernach die deutsche Ueber­setzung. Für die dekorative Ausstattung der Oper waren Schinkel und Gropius thätig. Die erste Aufführung, deren Jnscenirung schon im September 1824 vor­bereitet wurde, fand statt am 23. Mai 1825 zur Feier der Vermählung der Prinzessin Louise mit dem Prinzen Friedrich der Niederlande. Der König war sehr befriedigt und übersandte am 29. Juni dem Componisten die gelegentlich der Hochzeit geprägte goldne Medaille. In dem begleitenden Schreiben sagt der König:46 pa.rtag'6 U apxrodation oelatante, guo 16 xuülie vons a t6MEN6 ä'uno maniors si ineontsstMo." Das beruhte, soweit es die Anhänger Spon- tini's anging, allerdings auf Wahrheit, und auch manch Anderer ließ sich von den unerhörten dekorativen und musikalischen Effecten blenden. Aber auf Seiten der nationalen Partei erscholl dafür der Widerspruch lauter als je vorher; sie behandelte das Werk in gedruckten und ungedruckten Kritiken gradezu wegwerfend und verbreitete mit Behagen den berlinischen Witz:Allzudoll, eine Zauderoper". Unparteiischer urtheilte nur Zelter, was ihm allerdings durch seine Abneigung gegen Weber's Musik erleichtert wurde. Aber auch er kann den Spott nicht ganz zurückhalten, wenn er an Goethe schreibt:Das Stück ist von Thöauleon fran­zösisch gedichtet und nach dem Französischen in Musik gesetzt; so besitzen wir endlich ein berlinisches Original das ist: ein neues Kleid gewendet," und: Spontini kommt mir vor wie ein Goldkönig, der mit seinem Golde den Leuten Löcher in den Kops schmeißt." Außerhalb Berlins istAlcidor" ebenso wenig WieNurmahal" aufgeführt worden. Daß aber auch in Berlin selbst das In­teresse sehr bald erkaltete, beweist der Umstand, daß von dieser Oper nicht einmal ein Clavierauszug erschienen ist.

i) Ledebur, Tonküustler-Lexikon Berlins. S. 564 f.