Issue 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

lärmend gewesen sein. Der Eingangschor des ersten Actes, in welchem sie Vor­kommen, gehört zu den schönsten Stücken der Oper. Er wird von den Gnomen Jsmenors gesungen, die man beschäftigt sieht, den Tempel der Liebe zu zerstören und Waffenstücke zu schmieden, um mit ihnen dieWelt in Fesseln zu schlagen". Zu der ungestümen Energie ihrer Weisen bildet dann der Chor der klagenden Sylphen einen sehr wirksamen Gegensatz. Den Chor der Traum-Genien im vierten Austritt desselben Actes hatte Spontini der zweiactigen Festoper: Uälago, ou 1k Rot et 1a ?aix" entlehnt, die von ihm zur Feier der Thron­besteigung Ludwig's XVIII. componirt und am 13. August 1814 zur ersten Auf­führung gebracht worden war.

Für den Sommer 1826 war er verpflichtet, eine neue große Oper zu schreiben, und eine Woche nach der ersten Aufführung desAlcidor" fragte er beim Grafen Brühl an, ob eine Umarbeitung und Vergrößerung seinesMilton" als eine solche gelten könne. Brühl meinte, für einegroße" Oper sei der Stoff Wohl zu dürftig, doch erklärte sich der König unter dem 29. Juni mit dem Plane einverstanden. Spontini erhielt schon am 31. Mai einen Urlaub aus elf Monate. Er reiste Anfang Juli nach Paris ab und wohnte am 28. Februar 1826 einer Wiederaufführung derOlympia" bei. Unmittelbar daraus kehrte er nach Berlin zurück. Aber vomMilton" verlautete nichts mehr, und das Jahr verstrich, ohne daß er die fällige neue Oper geliefert hätte. Theaterdichter war zur Zeit Ernst Raupach; mit ihm verabredete er eine Dichtung über einen Gegenstand aus der Geschichte des deutschen Mittelalters. In Folge dessen schrieb Raupach den Text zuAgnes von Hohenstaufen". Der erste Act, welcher lang genug Mr, um für eine ganze Oper angesehen werden zu können, war 1827 in der Kom­position fertig und wurde den 28. Mai desselben Jahres aufgeführt. Das ganze aus drei Acten bestehende Werk lag 1829 vollendet vor und kam am 12. Juni zur Darstellung als Festoper zur Vermählung des Prinzen Wilhelm, des nach- herigen Deutschen Kaisers. Spontini war mit der eignen Arbeit auch dieses Mal nicht zufrieden. Er ließ das Buch durch den damaligen Opern-Regisseur, Baron Lichtenstein, und andere Freunde umgestalten und nahm mit der Musik so ein­greifende Aenderungen vor, wie kaum in einer andern seiner großen Opern. In endgültiger Gestalt erschienAgnes von Hohenstaufen" erst am 6. December 1837 Wieder auf der Bühne.

Das Interesse für die Geschichte des Mittelalters War damals in Deutsch­land sehr lebendig. Ohne Zweifel ist Spontini durch diesen Umstand bei der Wahl des Gegenstandes stark beeinflußt worden. Er ging mit all dem Ernst ans Werk, der eine so hervorragende Eigenthümlichkeit feines künstlerischen Wesens bildete: er las, forschte und that Alles, Was in seinen Kräften stand, um in den Geist von Zeitverhältnissen einzudringen, die von den ihm bekannten so ganz ver­schieden waren H. Das Gedicht, wie es endlich geworden war, darf man als ein im Ganzen brauchbares bezeichnen. Die Handlung geht zu Mainz im Jahre 1194 unter der Regierung Kaiser Heinrich's VI. von Hohenstaufen vor sich; im Mittel­punkt derselben stehen die Parteikämpfe der Welfen und Waiblinger. Hier war

USpontini in Deutschland". Leipzig, 1830. S. 102.