Issue 
(1891) 66
Page
385
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

Spontini in Berlin.

385

zur Geltung zu bringen, warfen sich die thateulustigen Männer und Jünglinge mit ihren Interessen auf das Theater und wollten in diesem eine Art von po­litischer Rednerbühne sehen. Daher es ihnen unleidlich erscheinen mußte, daß hier ein Ausländer, und noch dazu ein naturalisirter Franzose, das große Wort führte. Indessen fehlte es nicht ganz an Stimmen im Publicum, welche die dem Künstler angethane öffentliche Beschimpfung entschieden verurtheilten, und manch' ein früherer Gegner wurde jetzt zum Anwalt des Gekränkten. Dies war bei dem Justizrath Kunowski der Fall, der sich bereit finden ließ, Spontini's An­gelegenheit in zweiter Instanz zu vertheidigen, und die Verteidigungsschrift im Druck herausgab. In warmherzigster Weise nahm Bettina von Arnim seine Partei. Am 27. September 1841 schrieb sie an den Geheimen Commerzienrath Moritz Robert-tornow, einen der vertrauenswürdigen und wohlmeinenden Freunde Spontini's:

.Die Anklage Spontini's finden Sie absurd und kleinlich ich auch finde sie un­

christlich, und die Würde des Königs, die man hierdurch zu vertreten vorgibt, verletzend. Gehässig ist es, einen Mann, dessen leidenschaftlicher Aristokratismus und schwärmerische Liebe für den König weltbekannt ist, eines ungeeigneten Ausdrucks wegen der Majestätsbeleidigung zu be­schuldigen; die Welt wird dies zu glauben nicht albern genug sein. Unverschämt ist es, den ersten Moment, in dem ein Mann von bewährtem Ruf durch Zufall sich eine Blöße gibt, wahrzu­nehmen, um von allen Seiten Steine aus ihn zu werfen. Ganz unwürdig ist es, die Anklage, welche Spontini, der allein berechtigt ist, den Sinn seiner Worte auszulegen, als verleumderisch zurückweist, noch geltend machen zu wollen, wodurch sie zur Schmach alles besseren Gefühls zum Gegenstand eines parteilichen Interesses geworden, und somit die Allbewußheit von Recht und Wahrheit, die in jeder Brust begründet ist, auch von Jenen geleugnet wird, die durch Geburt und Stellung vom gemeinen Haufen sich getrennt wissen wollen und so wahnwitzig sind, an jener Gewalt, die das göttliche Amt hat, das Recht zu vertheidigen, zu rütteln, um sie zur bezechen­den Auslegung eines zweideutigen Ausdrucks zu mißbrauchen. Unsittlich ist es, jetzt nach dem Tode seines früheren Herrn, dessen Gnade ihn gegen die Angriffe seiner Widersacher schützte, un­gegründete Beschuldigungen ihm aufzubürden, und ist kein Beweis, daß des Königs Andenken noch Gewicht in unserem sittlichen Gefühl habe, oder daß die kindliche Würde unseres jetzigen Königs auch nur ahnungsweise refpectirt werde, denn sonst würde man die Ueberzeugung, Spontini sei frei von beleidigender Absicht, nie zu verläugnen gewagt haben. Ungeziemende Ausdrücke konnten ihm als Ausländer nie zur Last gelegt werden, und genügend ist, daß der Sinn, den er hincin- legt, in dem französischen Originaltext verstanden werden kann, und der (so!) Beschuldigung, die man ihm aufzwängt, fällt auf die Uebersetzung zurück. Wenn man aber den Staat von jedem kleinen Unfiätchen besenrein halten will, so werden die treuen Diener bald lauter stumpfe Besen sein, die, unter dem groben Unrath, der vor der eigenen Thüre sich häuft, begraben, selbst zum Kehricht gerechnet werden müssen. Denn ungeziemend ist auch das Verfahren gegen Spontini, wo er in seinem öffentlichen Amte auftritt, ungeziemend eben sowohl gegen den König, daß man seinen Diener gleichsam unter seinem schützenden Mantel hervorreißt, um ihn zu beleidigen; denn sein Amt ist des Königs Schutzmantel. Ungeziemend ist die Auslegung seiner Worte, als habe er seinen gnädigsten Herrn beleidigen wollen. Man kann den König nicht beleidigen wollen, kann ihn nicht beleidigen, und eine solche Auslegung ist ungeziemend, beleidigt das sittliche Gefühl und die Ehrfurcht, die wir vor der Großmuth des Königs hegen. Ungeziemend ist ferner das Geschrei der Mißbilligung gegen eine Sache, die unentschieden ist; der Unwille, den man auf ihn häuft, und die Verläumdungen, mit denen man hervorrückt; sollte man wegen diesen vor Gericht gefordert werden, so würde es wohl schwerer sein, sich darüber zu rechtfertigen, als es dem reinen, von böser Absicht ganz freien Mann sein kann, so sinnlose Beschuldigungen von sich zu wälzen. Ein reines Gewissen ist immer noch eine gute Wehr und Waffe gegen ein taktloses, gewissenloses Verfahren, was nicht scheut, die Persönlichkeit des Königs zur Basis einer parteilichen Rechtsstreiterei zu machen. Was uns heilig ist, das berühren wir nicht mit ungewaschenen Händen, sondern wir Deutschs Rundschau. XVII, 6. 25