Issue 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

reinigen sie erst in der Unschuld unsers Gewissens. Wer aber, der Einen des Vergehens bezechten mit dem Koth der Verläumdung wirft, kann sagen, er thue es aus unschuldiger Ab­sicht? O nein! solche sind Tempelschänder, und sind nicht geeignet, ein menschliches Versehen zu beurtheilen, und nicht würdig, den Purpur der Majestät vor Befleckung zu schützen.

Der König hat den geachteten Diener seines Vaters nicht seine Gnade entzogen, er hat ihn geschützt und geehrt. Spontini konnte seinen gnädigen Herrn nicht aus Uebermuth beleidigen wollen, wie man des widersinnig ihn beschuldigt. Man macht ihm den Vorwurf, er habe viele Feinde und keine Freunde. Was sollten ihm aber solche Freunde genützt haben, die jetzt zu Hanf so selbstvergessen, so alle Menschenwürde vergessend auf ihn eindringen? O nein! es spricht mehr für ihn, daß diese Alle nie seine Freunde waren, und die so wirklichen Seelenadel haben, sind ihm jetzt von selbst zugefallen. Man wirft ihm vor, daß er, den Warnungen der Polizei Trotz bietend, sich aus Hochmuth und Bosheit der Verhöhnung des Publicums ausgesetzt habe. Wessen würde man aber ihn beschuldigen, hätte er diesen Warnungen nachgegeben, und sich ge­fürchtet, sein königliches Amt zu vertreten. Würde er hierdurch irgend einem Ungemach , einer Verhöhnung, einer Verläumdung entgangen sein? Man würde laut genug, daß sieine Ohren es vernähmen, ihn der Feigheit, des bösen Gewissens, der Würdelosigkeit beschuldigt haben, und auch der Unfähigkeit, sein Amt zu vertreten. Der Triumph würde vollkommen gewesen sein, und die unweise Warnung der Polizei, der nur ein Schuldbewußtsein sich fügen konnte, würde zur Schlinge geworden sein, welcher Spontini aus eigenem Jnstinct, der ihn auf sein rechtliches Gefühl verwies, glücklich entgangen ist. Unter seinen vielen Feinden würden keine Freunde für ihn aufgestanden sein, die durch die Gemeinheit jenes unverzeihlichen Verfahrens im Theater sich bewogen fühlen, an seine Seite sich zu stellen, weil ihre Achtung der Function eines königlichen Beamten, ihre Achtung vor sich selbst sie bewegt, öffentlich darzulegen, daß sie nicht mit der Bos­heit eines stumpfsinnigen, feilen Pöbels übereinstimmen. Diese Freunde würde er jetzt entbehren, Hütte er gezagt, in seiner Schuldlosigkeit sich den Mißhandlungen, vor denen er gewarnt war, auszusetzen. Jetzt, wo diese unerhörte Schmähung über ihn ergangen ist, hat Spontini den großen Vortheil, daß alle edeldenkende Parteilose, an deren Spitze ich unbedingt den König stelle, ihm eine feste Schutzwehr gegen unnütze, ungerechte Angriffe sind, und die feinste Politik würde ihm nicht besser haben rathen können, um seine betheiligte Lage ins hellste Licht zu stellen. Von Seite der Polizei scheint es mir aber ein unpolitisches Verfahren, öffentlich auszusprechen und einzu­gestehen, man habe dem Pöbel nicht Einhalt thun können, obschon sie 14 Tage vorher Spontini gewarnt hatte. Also in dieser langen Zeit war es nicht möglich, einem voraus bekannten Unfug zu steuern? Wie sehr wird sich das Publicum dies merken, daß die Polizei der großen König­stadt nicht im Stande war, trotz aller Verhandlungen, ein Häuflein im engen Raume des Opern­hauses eingepfergt im Zaum zu halten, oder auch nur wagen durste, den Vorhang des Theaters zur bestimmten Zeit aufziehen zu lassen, wodurch der Unfug wenigstens durchschnitten war, und mußten sie ungehindert ihren Muthwillen sütigen lassen. Wie leicht könnte da durch dieses Eingestehen ihrer Ohnmacht die Polizei Veranlassung werden, daß nebst vielen Nebengedanken der Hauptgedanke in dem Publicum wach werde, als ob die Polizei wirklich keine Gewalt über das­selbe habe; und wie schnell könnte dann jene Behauptung bei erster Gelegenheit als prophetische Ahnung in Erfüllung gehen. Ist es aber nicht wahr, was die Polizei hier als Entschuldigung für den zugelassenen Frevel bekennt, wie sehr stellt sie alsdann ihre List an den Pranger, und wie argen Schaden thun doch solche Farcen und Pfuschereien, wo man stets, wie Mephistopheles das

Gute vorgibt und das Böse schafft."

Der Empfänger dieses Briefes hatte darauf an Bettina geschrieben, es fei schade, daß sie ihn nicht an den König gerichtet habe. Man wird auch das mit Interesse lesen, was sie hierauf antwortete.

Sie bedauern es, Herr Robert, daß mein Schreiben über Spontini nicht lieber an den König als an Sie gerichtet sei, so veranlassen Sie doch, daß es den Acten, die der König lesen wird, beigelegt werde. Ich besinne mich zwar nicht aufs Genaueste, ob es nicht Unlegitimes enthalte, aber hier, wo der gesunde Sinn des Königs so schmerzlich von einem alten Diener in Anspruch genommen wird, den feindseligen Bedrängnissen Einhalt zu thun, da fürchte ich gar nicht, ja, ich wünsche vielmehr meine lebhafte Aufregung über den unterfangenden Widerspruch der Uebelgesinnten gegen die ursprüngliche Großmuth des Königs auszudrücken. Auch mein erster