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Deutsche Rundschau.
sich bis zum Erscheinen des „Robert der Teufel;" diese Oper allerdings nannte er „un enänvre" und konnte sie nicht ausstehen; daraus wird man seinem Kunstgeschmack doch keinen Vorwurf machen wollen. Daß die „Hugenotten" zu seiner Zeit nicht aufgeführt wurden, lag nicht an Spontini, sondern an dem Verbot Friedrich Wilhelm's III. Wenn er Marschner's „Templer und Jüdin" ein Arrangement nach Spontini genannt haben soll H, so ist dies — falls die Aeuße- rung Wirklich so gelautet hat — allerdings eine ungerechte Benrtheilung; aber man muß doch auch zugestehen, daß Marschner von Spontini lebhaft beeinflußt worden ist. Gewiß war er von Neid und Eifersucht nicht frei, aber diese richteten sich , wenn einmal angenommen werden soll, daß sie bei seinen Entschließungen mitwirkten, ebensowohl gegen ausländische Componisten. Während er Cherubim sehr hoch schätzte — er brachte die „Abencerragen" in Berlin auf die Bühne und erwirkte für den Componisten ein ansehnliches Honorar — war ihm Auber's „Stumme von Portici" ein höchst unerwünschtes Werk, ebenso HalSvy's „Jüdin". Zur Aufführung dieser Werke bot er nicht die Hand und ärgerte sich auch Wohl, wenn sie dem Publicum trotz seiner ungünstigen Meinung darüber dennoch gefielen- Auch mit seinem Landsmann Rossini war er nicht zufrieden. Sein künstlerischer Horizont war nun einmal kein weiter. Wenn aber das Genie das Vorrecht hat, beschränkt sein zu dürfen, wenn man es einem Spohr hingehen läßt, daß er Weber nicht, und Beethoven nur zum Theil begriff, dann darf man auch über Spontini's künstlerische Antipathien nicht zu hart urtheilen. Mit Bedauern bemerkt man, wie die Fähigkeit, ihm gerecht zu werden, damals auch in den gebildetesten Berliner Familien fehlen konnte. Mit dem Hause Mendelssohn, das ihn Anfangs gastlich ausgenommen, dem er aber auch selbst viele Gefälligkeiten erwiesen hatte, war Spontini seit der Ausführung der Oper „Die Hochzeit des Camacho" zerfallen ^). Es mag sein, daß er dieses Erstlingswerkchen unverständig beurtheilt hat. Daß aber der edle Felix Mendelssohn sich zu so gereizten und verächtlichen Bemerkungen über ihn Hinreißen läßt, wie sie sich in seinen Briefen finden, muß man beklagen. Wie nun aber auch immer zu Spontini's Berliner Zeit das Für und Wider betreffs seiner Wirksamkeit beschaffen gewesen sein mag, dies ist sicher, daß er durch den kläglichen Ausgang seiner Thätigkeit an der dortigen Oper genugsam gebüßt hat, Was von ihm je dort verfehlt worden ist. Ihn über diesen Zeitpunkt, ja über das Grab hinaus noch mit übler Nachrede zu verfolgen, wie es leider in Deutschland bis in die neueste Zeit geschieht, ist unwürdig.
Ueber Spontini's letzte Lebenszeit ist wenig zu berichten. Er ging von Berlin zunächst nach Italien. Im Januar 1843 befand er sich in Majolati. Es mag hier nachgetragen werden, daß er sein Geburtsland seit 1822 verschieden- fach wiedergesehen hat. 1835 war er in Neapel. Im Archiv Di 8an llietro u Nujsllu zeigte man ihm das Autograph einer Concurrenzarbeit, welche er vierzig Jahre zuvor als Schüler des Oouservatorio äsllu ?i6tä äs' lürediui gemacht hatte. Er betrachtete sie mit Thränen in den Augen, rieth dann aber dem Archivar, er möge „gussts M68ebiu6 s seones nots" zerreißen und ins Feuer
Nach einem Briefe Marschner's an Ed. Devrient in der „Deutschen Rundschau", 1879, Bd. XIX, S. 93.
Devrient, Erinnerungen an Felix Mendelssohn-Bartholdy, S. 27 f.