Das Universitätsstudium der Neueren Kunstgeschichte.
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II.
Neuere Kunstgeschichte auf den Deutschen Universitäten.
Als den Kern der Ueberzengungen des jetzigen Directors der Gemäldegalerie stelle ich, gewiß mit seiner Zustimmung, folgende Sätze hin:
Die Professuren der Neueren Kunstgeschichte sollten an denjenigen Universitäten, denen größere Kunstsammlungen fehlen, aufgehoben werden. Die jungen Leute, welche in Berlin dem Studium der Neueren Kunstgeschichte obliegen, sollten von den Docenten zur Veamtenlausbahn an den Museen vorbereitet werden. Der Inhalt der Museen sollte für die Universitätsvorlesungen besser ausgenutzt werden. Zugleich wird ein Unterschied zwischen den Vorlesungen über Neuere Kunstgeschichte, „in denen von Literatur die Rede sei", mit denen ausgestellt, welche „sich mit der eigentlichen Kunst" beschäftigen.
Es sollten, lautet eine der Forderungen also, die ordentlichen Professuren der Neueren Kunstgeschichte an denjenigen Universitäten eingehen, denen größere Sammlungen mangeln. Sammlungen umfassenderer Art fehlen in Basel, Freiburg i. Br. und Bonn z. B- Sehen wir, wie auf dem Gebiete der Neueren Kunstgeschichte auf diesen Universitäten gearbeitet werde.
In Basel wirkt Jacob Burckhardt als einer der ältesten Gelehrten, welche sich mit der Neueren Kunstgeschichte beschäftigen. Burckhardt umfaßt die Kunst der Antike und der Renaissance, und es herrscht eine universale Anschauung der Dinge so sehr in seinen Werken vor, daß mir unmöglich scheint, sie könne in seinen Vorlesungen verleugnet werden. Ich glaube nicht, daß seine Arbeiten oder Vorlesungen vom Inhalte dessen, was die Basler Sammlungen zufällig bergen, je beeinflußt worden sind.
In Freiburg i. Br. wirkt Franz Xaver Kraus. Auch die kunsthistorischen Arbeiten dieses katholischen Theologen bedürfen keiner Inhaltsangabe, als seien sie nicht bekannt. Kraus war in Straßburg Professor der Geschichte und christlichen Archäologie; nach Freiburg wurde er als Professor der Kirchengeschichte berufen, vertritt dort die Neuere Kunstgeschichte aber in vollem Umfange. Wie weit das Gebiet sei, das Kraus bearbeitet, zeigen feine Bücher.
In Bonn endlich lehrt Justi, dessen Bücher gleichfalls öffentlicher Besitz sind, auf den Deutschland stolz ist. Der Inhalt seines „Winckelmann" umfaßt so sehr die Geschichte der gesammten ästhetischen Gelehrsamkeit des achtzehnten Jahrhunderts, daß das, was der Museumsbeamte die „Kunst im eigentlichen Sinne" nennt, darin ebenso sehr verschwindet wie in Burckhardt's und Kraus' Werken. In Justi's neuestem, herrlichem Buche über Velasquez, wie tritt da die Culturgeschichte des siebzehnten Jahrhunderts in den Vordergrund! Wie lebendig wird des großen Malers Wirksamkeit erst durch diese Fülle der historischen Darstellung! Wenn ich an dem Buche etwas nicht vermisse, aber ihm vielleicht hinzuwünschte, so wäre es noch tieferes Eingehen auf die Phantasieschöpfungen der spanischen Dichter der Epoche. Um mich anders auszudrücken: es würde eine noch umfangreichere Berücksichtigung des spanischen Romans und Theaters, die Justi gründlich kennt, seine Urtheile über die spanische Malerei in weiterem Umfange noch bestätigt haben. Nur aus Justi's Dar-