Das Universitätsstudium der Neueren Kunstgeschichte.
399
stellung unergründlich bleibt. An die Stelle einer aus vielfachen Göttern mit eigenen Schicksalen und Leidenschaften zusammengesetzten Weltregierung, einer Art von unsterblichem Staat über den Staaten, eines internationalen unsterblichen Senates über den Völkern, der Ceremoniell und sichtbaren, kostspieligen Dienst verlangte und eine irdische Hofhaltung brauchte, setzte er einen einzigen, nach Vergangenheit und Zukunft unendlichen, schicksalslosen, rein geistigen Gott ohne sichtbaren Dienst. An die Stelle des mit dem Tode in seiner geistigen Bewegung abschließenden menschlichen Lebens eine über den Tod hinaus sich entwickelnde Individualität. An die Stelle einer durch nationalen Haß und durch den tödtlichen Unterschied zwischen freiem Bürgerthum und rettungsloser Sklaverei gespaltenen Menschheit ein einziges untheilbares, die Erde bewohnendes Volk von Brüdern. Mochte die Ausbreitung dieser fundamentalen Gedanken eine noch so still dahinschleichende sein: ihr Vorhandensein in diesem Zusammenhänge machte das Weiterleben aller anderen, die geistige Fortbildung der Völker bedingenden Gedanken unmöglich. Die Geschichte dieses Durchdringens und dieses Absterbens macht den wahren Inhalt des zweiten Jahrtausends aus. Dies die Quelle einer gewissen Traurigkeit, die aus der Erzählung des Tacitus uns anfliegt. Des Inhaltslosen der Hadrianischen Pracht. Des Trostlosen in den Selbsttröstungsversuchen des Marc Aurel. Der große Pan war todt. Die griechisch-römischen Philosophen jener Zeit empfinden das Jahrtausend des Unterganges. Gibbon umgreift Alles mit dem Namen: Verfall, DeeUns, Abwärtsschreiten, Niedergang, Neigung zur Tiefe. Die römische Kaisergeschichte kann nichts Neues produciren. Erst da, wo Rom sich anschickt, im Gegensätze zur griechisch (byzantinisch)-semitischen Welt das romanische Papstthum zu schaffen, wird es als das Rom der zukünftigen Geschichte welthistorisch nothwendig. Nun regt es sich und entwickelt eine ungewissen Zielen zustrebende Energie. Mit Augustinus' Confessionen und seiner Oivitas Del beginnt erst der welthistorische Eintritt des Römerthums in die Geschichte der Zukunft, die sich von entbehrlichen Völkerschicksalen thunlich zu entlasten hat. Als Inhalt der römischen Geschichte kann dann nicht mehr das gewiß sehr spannende Ringen mit den italienischen Staaten, Karthago und Spanien, der Wirrwarr der Triumviratszeiten, die Bewegung der römischen Bureankratie, des Rechtslebens und der Militärverfassung, sondern das allgemeine Eindringen der christlichen Gedanken in die römische Reichsidee erscheinen und erst im aufkommenden Papstthume der Uebergang der geistigen Leitung der Menschheit von den Griechen auf die Römer erblickt werden. Der Inhalt des zweiten Capitels der Weltgeschichte zeigt den Kampf der griechischen, zu der Zeit, wo die Christen eintreten, die damalige Welt übersluthenden griechischen Kunst und Literatur mit der neuen Macht. Dieser Kampf wurde zuerst seitens der griechischen Phantasie siegreich geführt. Dann trat eine Wendung ein. Tausend Jahre bedurfte es, um die antike Phantasiewelt innerhalb der christlichen auszulöschen. Dieses Jahrtausend vielmehr zumeist in seiner politischen Entwicklung darzustellen, erscheint den meisten Historikern heute Wohl noch als die eigentliche Arbeit. Ich glaube, daß später anders gedacht werden wird.