Heft 
(1891) 66
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Das Nniversitätsstudium der Neueren Kunstgeschichte.

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sie befehlen! Die Anfänge solcher Bewegungen erleben wir bereits, Niemand aber ist sich ihrer Consequenzen bewußt. Man könnte die Völker nöthigen wollen, auch in ästhetischen Dingen das für Freiheit zu halten, was die Majoritäten dafür halten! Ich könnte mir eine Akademie der Künste denken, von der ein Schüler sortgeschickt würde, der überführt wäre, Meister zu bewundern oder gar zu studiren, die dem Leiter dieser Anstalt mißfallen. Ein Zustand der Dinge, der unter dem Akademiedirectorate Lebrun's in Paris ohne Zweifel nicht nur existirte, sondern auch von den Parisern selbst, die für Machtfragen stets Ver- ständniß hatten, als der natürliche angesehen worden ist.

VII.

Der Antheil der Museen am Geschichtsstudium.

Sei nun die Rede von Denjenigen, denen über diese Dinge Lehrvorträge gehalten werden, und von den Mitteln, die dafür zu Gebote stehen. Ich er­innere an jenes oben citirte Dictum, die Aufgabe sei, jüngere Beamten für den Museumsdienst heranzubilden und sich zu diesem Zwecke des Inhaltes der Berliner Museen zu bedienen.

Man kann jungen Leuten, die von den Gymnasien kommen, nicht über Geschichte sprechen wie älteren Leuten, welche mehr oder weniger bereits Wissen, wovon die Rede sei. Vom Zuhörer im Auditorium der Universität wird angenommen, er sitze da, um zum ersten Male zu hören, was ihm vorher unbekannt war, und er vertraue dem, der auf dem Katheder steht, vollständig. Wehe dem Lehrer, bei dem das Verhältniß anders liegt. Hier also ist die Aufgabe, solchen Anfängern, die noch keine Reisen gemacht, noch keine Galerien besucht, noch keine Photographien gesammelt haben, mitten in Deutschland die Geschichte der Kunst im höchsten Sinne verständlich zu machen, und auf der Stelle muß das Vor­getragene verstanden und schnell muß weitergegangen werden.

Studierenden des ersten Semesters klar zu machen, wie Cimäbue, Duccio, Giotto und deren Schüler, Mitarbeiter und Nachahmer sich zu einander Ver­halten, könnte Wohl der Traum eines begeisterten beginnenden Docenten, niemals aber das Ziel eines erfahrenen Lehrers sein.

Davon muß abstrahiert werden. Die Aufgabe des Universitätslehrers ist weder, die Studenten als zünftige Gemäldekenner zu behandeln, noch sie dazu zu erziehen, sondern ihnen aus der Ungeheuern Masse vorhandener Kunstwerke diejenigen geistig nahe zu bringen, auf die es als die inhaltreichsten zumeist an­kommt. Nicht die, um die sich die Kunstverständigen am meisten streiten, sondern die, welche ihrer Zeit am besten erkennen lassen. Für jede jener oben angeführten Epochen handelt es sich darum, die Kunstwerke und die persönliche Thätigkeit ihrer Meister aus dem vollen Inhalte ihrer Tage zu erklären. Die großen Meister als Geschöpfe ihrer Jahrhunderte zu deuten, ist die Aufgabe. Bei Universitätsvorlesungen ist das, was nicht gesagt wird, oft nicht weniger wichtig als das, was gesagt Wird. Der Docent muß wissen, was er nur an­zudeuten oder auch auszulassen hat. Vier Stunden wöchentlich stehen mir sieben Monate hindurch, von den zwölfen des Jahres, zu Gebote, in denen die jungen Leute