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Deutsche Rundschau.
ihnen ganz neue Dinge aus meinem Munde hören, neben denen sie Tag für Tag eine Fülle anderer Kenntnisse in sich aufzunehmen haben. In einer einzigen Woche muß Giotto da abgethan werden, und zwar so, daß das Mitgetheilte im Geiste haste. Ohne Vorlagen! Alle Werke nur in Beschreibungen sichtbar!
Das völlig Eigenartige Giotto's tritt auch für den Kenner nur dann hervor, wenn er ihn im Gegensatz zu der byzantinischen Kunst betrachtet. Was aber wissen meine Studenten von byzantinischer Kunst? Ein Phänomen, das zu begreifen es weitester Erfahrung bedarf; eine Kunst, die dem Anfänger nichts als unverständliche, todte, gezierte Starrheit zeigt, deren geistiges Innere kein Fingerzeigen und Expliciren ihm klar macht. Ich sage meinen jungen Leuten: lassen Sie einstweilen die Hand davon.
Wie überhaupt denn aber Giotto erklären?
Das K. Museum bietet nichts dafür. Die wenigen Gemälde, die als unter dem Einflüsse Giotto's entstanden, dahängen, verrathen dem Anfänger nichts vom Wesen des Meisters. Man könnte Stücke der besterhaltenen Werke in Assisi und Florenz oder Padua, sei es auch nur auf Pappe mit Wasserfarben, in Naturgröße copieren lassen, um dem Auditorium eine Idee zu geben, in welcher Weise dieser Meister und die Seinigen malten. Aber auch diese Muster würden wohlbedachter erklärender Worte bedürfen und diese wenig enthüllen. Für den Berather von Studenten führt nur ein Weg zu Giotto: Dante! Die Darlegung, worin der Realismus des Naturcultus Dante's liege, erklärt den an philologische Auffassung der Historie geübten jungen Leuten sofort das ganze Phänomen. Der erste nationale Dichter Italiens muß den ersten nationalen Maler verstehen helfen. Beide sind persönliche Freunde gewesen. Vom Uebergange aus der Erstarrung zur Natur, an deren Brüsten sie wie Zwillinge gesogen haben, muß gesprochen werden. Der Umschwung, der in den Staufischen Zeiten eintrat und in Giotto und Dante zu weiterem Aufsteigen im Dienste nationaler Gedanken sich erhöhte, ist meinen Zuhörern Wohl verständlich. Der Uebergang der politischen Herrschaft des international gesinnten Staufischen Adels auf die nationalen Bürgerschaften, der Umschwung der Literatur, der Dichtung, der religiösen Anschauungen: das muß klar und sicher vorgetragen und zu Giotto zurückgekehrt werden, der neben dem, was Dante für die nationale Dichtkunst that, das Seinige für die bildende Kunst leistete. Gezeigt kann da vorerst überhaupt nichts werden. Photographien würden den Anfänger eher verwirren, als ihm klar machen, worauf es ankommt. Will ein Zuhörer, den ich in den ersten Semestern so in das Gefühl der Dinge eingesührt habe, in späteren Semestern dann an Uebungen theilnehmen, wo Giotto viele Stunden gewidmet und Photographien gezeigt werden können, so wird er näher an ihn herankommen. Dennoch wird ohne den Anblick der Werke in Assisi, Florenz und Padua zuverlässige Kenntniß des Meisters nicht zu gewinnen sein.
Gehen wir weiter in der Reihe der großen Meister, so würde der lehrende Museumsbeamte ohne Zweifel nun Donatello als den vollsten Vertreter des Quattrocento nennen, und auf die mannigfaltigen Abgüsse seiner Werke Hinweisen, die in den Sälen unseres Museums Donatello mit denen, die ihn als Mitstrebende oder Schüler umgaben, ins Licht setzen. Donatello aber ist