Das Universitätsstudium der Neueren Kunstgeschichte.
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einer der emporgeschraubten Lieblinge der heutigen kunsthistorischen Modebegeisterung. Sammler schätzen sich glücklich, vermeintliche Werke seiner Hand theuer erworben zu haben. Immer wieder wird über ihn geschrieben und der Geist seiner Zeit in ihn hinein interpretirt. Gewiß ist nicht zu tadeln, wenn die Werke eines tapfern und in vielen Arbeiten auch freundlichen, in manchen sogar zarten Künstlers Begeisterung und Liebe erwecken. Angeborene Grazie ist mit eben so viel Unbeholsenheit in Donatello vereinigt. Die Antike beunruhigt ihn noch nicht. Er gleicht Giotto darin, daß er ohne Ansteigen, ohne Höhenpunkte und ohne Herabgehen seine lange und breite Straße fruchtbaren Geistes dahinwandelt. Derjenige aber, der ein Auditorium, wie ich vor mir habe, mit lebhaftem Gefühl von der Fortentwicklung der italienischen Kunst im Quattrocento erfüllen soll, hat über Donatello wenig zu sagen. Mit schon älteren, geübteren Schülern, und zwar mit dem schwachen Procentsatz derer, die für Kunst angeborenes Urtheil mitbringen, von Stück zu Stück zu gehen und ihnen die Eigentümlichkeiten des Meisters im Gegensatz zu Ghiberti klar zu machen, bleibt immer eine schöne Aufgabe für den Docenten. Jedes Semester wirft eine Anzahl Zuhörer ab, die, getragen von natürlicher Begabung, arbeiten, und ich habe mich ihnen so gut zu widmen wie den übrigen. Die Masse aber, welche die rasch vorschreitende Hauptvorlesung besucht, darf nicht dazu verurtheilt sein, unbetheiligt dazusitzen, während jene Wenigen etwas profitiren. Die Werke Donatello's und der Seinigen sind nicht als abschließende Schöpfungen, sondern als auch im besten Falle unzureichende Versuche von Meistern beschränkter Art darzustellen, die der Blüthezeit vorausgingen. Ohne den Hinblick aus diese Größten ist das Quattrocento inhaltslos. Unsere begeisterten Prediger des Donatellothums würden mit ihren Reden dem Deutschen Studenten nicht die kleinste Portion echter historischer Kost zu liefern im Stande sein. Der relativ geistige Gehalt seiner Kunst ist ein geringer. Dasselbe gilt von vielen gleichartigen Malern und Bildhauern. Was in den Werken dieser Meister der italienischen Morgenröthe liegt, weiß jeder Kenner zu schätzen. Der pädagogische Inhalt gewisser Richtungen aber ist oft ein sehr kleiner. Unsere Gemälde und Zeichnungen Botticelli's, sein Dantewerk zumal, stehen, als theuer bezahlte Stücke glänzend da: dem lernenden Studenten sind die Feinheiten dieses Meisters kaum zu erschließen. Perugino's, Giovanni Santi's, Signorellüs und anderer Vorgänger des Cinquecento kostbare Tafeln, die wir in Berlin besitzen, sind dem Anfänger vorerst noch versiegelte Bücher, und nur Filippi Lippi's und Fiesole's Arbeiten etwa wird er zu verstehen glauben, weil eine gewisse frauenhaft zarte Auffassung und Behandlung, die diese und ähnlich arbeitende andere Meister auszeichnet, gemüthlichen Reiz auf ihn ausübt. Wer Jahrzehnte lang mit solchen Gemälden zu thun hatte, begreift freilich nicht, daß man ihre Sprache nicht bis in die feinsten Accente hinein sofort verstehe. Diese zartfühlenden einsamen Kunstfreunde, die sich unter einander so scharf auszusprechen Wissen, sollen aber einmal einem Auditorium voll frischer, junger Lebenscandidaten gegenüber stehen! Unsere Studenten verlangen ein verständliches geistiges Commandowort.