Heft 
(1891) 66
Seite
418
Einzelbild herunterladen

418

Deutsche Rundschau.

II.

Beginnen wir nun unsere Analyse einzelner Bewegungen mit einer Reihe von solchen, die für gewöhnlich ohne Zweifel von uns nicht voraus berechnet und also auch nicht gewollt werden, von denen wir aber doch, sobald Wir ihren Erfolg kennen lernen, im Stande find, uns vorzunehmen, sie auch mit unserem Willen zu dirigiren. Ich will ein ganz einfaches kleines Beispiel dieser Art voranstellen, eine Bewegung an unseren Händen, von der die meisten Menschen nichts wissen.

Wenn wir die stäche Hand vor uns ausstrecken, den Rücken nach unten, die Hohlhand nach oben, den Daumen seitwärts gewendet, wenn wir dann die Linie an ihr ins Auge fassen, welche zwischen dem kleinen Finger und dem Hand­gelenke die Grenzen zwischen Hohlhand und Handrücken bildet, und wenn wir nun Plötzlich willkürlich den kleinen Finger von den anderen Wegspreizen, dann sehen wir aus jener Linie zwischen ihm und dem Handgelenke von selbst auch eine Bewegung erfolgen, die darin besteht, daß hier die Haut, wie von einer unsichtbaren Kraft gezogen, an der Grenze des Handrückens und der Hohlhand eine eingezogene Falte bildet, aber vorrückend gegen die Hohlhand. Es ist, als streifte sich der Handschuh, den die eigene Haut bildet, von hinten nach vorn herum, so daß er hinten gespannter angezogen wird, vorn aber einen bauchigen Ueberschuß bildet. Man wird überrascht sein, wenn man dies zum ersten Male an der eigenen Hand geschehen sieht, geschehen im Gefolge einer Bewegung des Fingers, die man selbst willkürlich gemacht hat, aber ohne zu wissen, daß da Weiter heran an den Arm auch noch etwas vor sich gehen wird, das man nicht gewollt hat. Man kann den Versuch wiederholen: immer, wenn man den Finger wieder ausspreizt, antwortet wie ein Echo auch die unwillkürliche Haut­bewegung. Wenn man aber diesem Schauspiele eine Weile zugesehen hat, Welches man selbst aufführt, indem man die eine Bewegung will, und darauf noch eine folgt, dann kommt man dahin zu merken, daß man auch den letzten Act dieses Spieles gleich direct und für sich allein wollen kann. Wenn man recht angespannt auf die Stelle hinsieht, wo sich die Haut immer so eingezogen hat, und sich dann vornimmt, daß sie es nun auch einmal thun soll, ohne daß erst der Finger seine Bewegung zu machen braucht, siehe da: so zieht sie sich ein. Und dann kann man am Ende auch umgekehrt den Finger allein spreizen und die Haut in Ruhe bleiben lassen. Bei mir, der ich dies schon oft probirt habe, spielt das schon nicht mehr recht, was der sieht, der es zuerst an sich beobachtet hat; bei mir, wie ich hinsehe, arbeitet der Finger allein und die Haut allein, Wann und wenn ich Will; aber ich glaube: wenn ich nicht zusehe, so machen sie es immer noch so, wie sie es früher gehalten haben, die Haut wird sich einziehen, so oft ich den Finger spreize.

Hier geschieht also etwas, was wir nicht wollen, was wir gar nicht gewollt haben können, weil oder wenn und so lange wir gar nicht gewußt haben, daß es geschehen kann; aber es geschieht, weil und wenn etwas anderes geschehen ist, das wir gewollt haben. Wir nennen diesen Vorgang eine Mitbewegung. Die nicht gewollte ist also mit der gewollten indirect auch als eine Folge des Willens geschehen. Das Organ, welches diese mitgewollte, oder auch nichtmitgewollte.