Willkürliche und unwillkürliche Bewegung.
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aber auf das Commando von dem Wollen der anderen miterfolgte kleine Haut- bewegnng bewirkt, ist ein Muskel unter der Haut, der an jener Stelle derselben befestigt ist und angreift, wo in Folge dessen die Falte entsteht. Er liegt gerade auf dem anderen größeren aus, durch den der kleine Finger gespreizt wird, wenn wir es wollen. Was fällt nun dem Kleineren ein, daß er meint, wenn der größere neben ihm arbeitet, muß er auch anfangen, wie ein Hund bellt, wenn er den anderen bellen hört, ohne zu wissen warum? Wir wissen auch dies nicht. Vielleicht will er doch auch einmal etwas zu thun haben, und wenn der Wille sich nie um ihn kümmert, weil das Bewußtsein von dem, was er leisten kann, gar keine Kenntniß hat, schließt er sich einem anderen an, wenn dieser durch den Willen zur Thätigkeit ausgerusen wird. Die Descendenzlehre, die Alles erklären kann, findet vielleicht auch hierfür einen Grund. Vielleicht hat dieser Muskel bei irgend einem Vorfahren des Menschen die Aufgabe gehabt, noch einen sechsten Finger zu spreizen, der beim Menschen nicht mehr existirt, und spreizt nun noch immer mit, auch wo nichts ist, wenn der andere in dieser Richtung angeregt wird. Wenn aber unser Bewußtsein und Wille Notiz davon nehmen, was er doch noch leisten kann, wenn es auch nicht viel ist, so können sie es ihm auftragen, und er folgt ihren Intentionen.
Es gibt aber an unserem Körper eine größere Gruppe von solchen Muskeln, die so, wie dieser kleine ganz versprengte der Hand, an der Haut angreifen und die auch wie er in der Regel nicht durch den Willen in Bewegung gesetzt werden, weil wir von dem, was sie leisten, von Hause aus selbst keine Kenntniß haben, die wir aber auch mit dem Willen dirigiren können, sowie wir uns von dem, was sie zu Stande bringen, selbst eine anschauliche Kenntniß und damit eine Controle darüber verschaffen. Das sind die Muskeln unter der Haut des Gesichts, durch deren Action sich die Haut im Gesicht verschieden faltet oder modellirt und durch Welche in Folge dessen der Gesichtsausdruck bedingt ist.
Lachen und Weinen, Nasenrümpfen und Stirnrunzeln sind Bewegungen, die in der Regel ohne unseren Willen erfolgen. Es ist nicht unser Vorsatz, unserem Gesichte diese Falten aufzuzwingen. Höchstens indirect wirken wir darauf ein, indem wir absichtlich, wie man Wohl scherzhafter Weise zu sagen Pflegt, „unser Gemüth so in Falten legen," d. h. unserer Stimmung die Richtung geben, welche dann von selbst auch die Züge des Gesichtes so ausprägt. Denn die gewöhnliche Ursache aller dieser Bewegungen ist selbst keine directe Intention des Erfolges, aber ebenso wenig ein auf die Nerven einwirkender äußerer Reiz, sondern, was sie ins Spiel setzt, ist auch ein innerer Vorgang, insofern also etwas Aehnliches wie der Wille, aber ein innerer Vorgang ungewollter Art, eine Disposition unseres Ge'müthszustandes, was wir Stimmung nennen. Diese wirkt auf die Nerven, von denen die Action der einen oder anderen Muskeln im Gesichte angeregt wird, wie der Wille bei den willkürlichen oder der äußere Reiz bei den Reflexbewegungen.
Wie freilich unsere Stimmungen dazu kommen, sich gerade in diesen Variationen der Drapirung oder des Faltenwurfes in dem Felle, womit unser Gesicht überzogen ist, zu documentiren, ist nicht ersichtlich. Wenn wir willkürliche Bewegungen machen, dienen sie doch einem Zwecke, den wir verfolgen, und auch
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