Heft 
(1891) 66
Seite
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Willkürliche und unwillkürliche Bewegung.

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Ausdruck der Stimmung hervorbringt, werden doch nicht herauskommen; ein- studirte Wiederholungen mimischer Hebungen vor dem Spiegel werden schwerlich je einen natürlichen Eindruck von Gemüthserregungen bei dem Beschauer Her­vorrufen. Wenn der gute Schauspieler uns durch sein Mienenspiel das Bild eines wahren Affectes darstellt, so erreicht er dies ohne Zweifel nicht durch solche Hebungen vor dem Spiegel, sondern in der Regel vielmehr dadurch, daß er den eingebildeten Affect in sich selbst so lebendig gegenwärtig werden läßt, sich selbst so hinein versetzt, daß dieser ebenso unabsichtlich wie ein wahrer in den Zügen seines Gesichts von selbst zum Ausdruck kommt.

Also jene Bewegung in der Haut an der Hand vollzog sich nicht in Folge eines auf ihren Erfolg mit Bewußtsein gerichteten Willensactes, aber doch in Folge eines solchen, aus einen anderen Erfolg gerichteten Willensactes. Und die Ver­änderungen im Gesichtsausdruck erfolgten nicht auf einen sie mit Bewußtsein in Aussicht nehmenden Willensact hin, aber auf Grund eines geistigen Vorganges, der Stimmung im Gemüthszustande, also einer ähnlichen Ursache wie der Wille, der ja auch ein geistiger Vorgang ist, welcher eine Bewegung zur Folge hat. In diesen Leiden Fällen liegt also eine Art von Veranlassung zur Bewegung vor, die weder einfach die Intention eines Willens auf den Erfolg der Be­wegung ist, noch die Einwirkung eines äußeren Reizes; die Bewegung ist weder rein willkürlich noch eine reflectorische, sondern im einen Falle einer willkür­lichen associirt, wie man sagt, im anderen sympathisch, Wie man sagt, zu einem innerlichen Zustande.

III.

In anderen Fallen sind rein willkürliche Bewegungen und Reflexe ihrer Entstehung nach rein und deutlich ausgesprochen, concurriren aber in der Art, daß sie dieselben Organe benützen, zum Theil in ganz denselben einzelnen Be­wegungsarten bestehen und sich also mit zweckmäßiger Abwechselung nacheinander richten müssen. Dies ist namentlich der Fall bei dem Gebrauche der Be­wegungen im Bereiche der Luftwege, einerseits zu dem ganz vorzugsweise will­kürlichen Behufe der Stimmbildung, andererseits dem reflectorischen des Athem- holens.

Die Bewegungen des Athmens, die einem beständigen Bedürfnisse des Lebens entsprechen, erfolgen ohne unser Zuthun mit derselben Regelmäßigkeit im Schlafen wie im Wachen, mit oder ohne unser Wissen davon. Der Anlaß ist eine Veränderung im Blut, eben die, deren beständig wiederkehrende Ausgleichung das Athmen nöthig macht. Sie wirkt auf Nerven wie ein äußerer Reiz, und diese wirken aus andere, von denen die regelmäßige Thätigkeit der Muskeln zum Zwecke des Athmens unterhalten wird. Hier haben wir also einen reinen Reflex, und wir kennen zum Theil die Wege, auf denen der Effect jenes Reizes in die Einwirkung auf die Bewegung übergeleitet wird, namentlich eine Stelle im Gehirn, die er passiren muß, daher, wenn diese verletzt ist, der Tod durch Er­stickung eintreten muß, weil der Reflex unterbrochen wird. Für gewöhnlich, bei normalem Befinden, fühlen wir nichts von der Wirkung des Reizes, welchen die Kohlensäure im Blute auf die Nerven ausübt, von denen der Reflex in Folge