Heft 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

dessen ausgeht, und bekümmern uns ebensowenig darum, wie die Bewegung ver­läuft. Sobald aber eine Störung eintritt, müssen wir auch Notiz davon nehmen. Wenn die Athmung ungenügend Wird, die Veränderung des Blutes, Welche die Athmung erheischt, einen höheren Grad erreicht als gewöhnlich, wird uns auch der gesteigerte Reiz, den sie auf die Nerven ausübt, fühlbar als Athemnoth. Und dann greifen wir auch mit dem Einfluß des Willens auf die Muskeln ein, um den Blasebalg stärker arbeiten und uns dies unangenehme Gefühl vom Halse schaffen zu helfen. Noch deutlicher zeigt sich dies bei gewissen Modifikationen der Bewegung des Athmens in Folge besonderer Reize. Husten und Niesen sind nur solche Bewegungen des Athmens mit Plötzlich verstärkter Ausstoßung der Luft aus der Kehle bis in den Mund oder durch die Nase. Sie sind auch ganz als Reflexe die directe Folge der Einwirkung mechanischer Reize auf die Haut im Kehlkopfe und in der Nase- Aber in beiden Fällen fühlen wir diese Reizung zugleich und zwar als den unangenehmen Kitzel, der uns zugleich den Eintritt der Bewegungen erwünscht macht, also als Neigung zu diesen Bewegungen ins Bewußtsein tritt, von denen wir aus Erfahrung wissen, daß sie geeignet sind, die Ursachen des Reizes zu beseitigen. Es ist aber der Unterschied, daß wir den Eintritt des Niesens trotzdem mit unserem Willen weder herbeiführen noch unterdrücken können, sondern in Geduld abwarten müssen, während wir den Husten absichtlich einsetzen lassen oder zurückhalten können.

Nun beruht ja bekanntlich auch die Bildung unserer Stimme auf einer modificirten Athembewegung. Wir athmen kräftig und anhaltend aus, während der Weg, auf dem die Luft hinaus muß, an verschiedenen Stellen beengt ist. Die Luft muß sich durchzwängen, oder unter verstärktem Drucke durch die Engen durchstreichen und dabei entstehen die Töne der Stimme. Besonders ist die Ritze im Kehlkopfe beengt, welche beim gewöhnlichen ruhigen Athmen ziemlich weit offen steht, beim Sprechen aber fast geschlossen, so daß die durchstreichende Luft die scharfen elastischen Ränder derselben in Schwingungen versetzt. So entsteht der klingende Ton in der Stimme, oder der musikalische Klang und der der Vocale in der Sprachbildung, man nennt sie daher die Stimmritze. Weiter oben ist der Weg der Luft durch die Nase, der beim Athmen gewöhnlich weit offene, Während der Stimmbildung ganz verlegt und statt dessen nur der durch den Mund hinaus offen gelassen; aber auf diesem befinden sich wieder verschiedene Stellen zwischen dem Gaumen, der Zunge, den Zähnen und den Lippen, wo er bald mehr, bald weniger verengt werden kann, und wo dann, je nachdem dies ge­schieht, wieder durch das Vorbeistreichen der Luft die verschiedenen Geräusche ent­stehen, welche als Consonanten in der Sprache ihre Rolle spielen. So gehört also zu jeder Stimmbildung vor Allem ein beständig anhaltendes Ausathmen, so lange als Töne gebildet werden sollen, und natürlich immer zwischendurch auch wieder Einathmen, wenn der vorhandene Luftvorrath verbraucht ist. Zu diesem Zwecke muß die gewöhnliche ruhig anhaltende Bewegung des Athmens als solche ausgesetzt werden; aber ihr Zweck wird ja dabei mit erfüllt. Daneben muß der Luft der zu freie ungehinderte Austritt, namentlich durch die Nase gesperrt sein, um sie nur durch die Engen hinaus zu lassen, in denen ihr ge-